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[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

30.04.2017

[14 No Way Out]

Es folgt ein ganz kurzer Text, der nicht einmal 500 Wörter erreicht. Aber manchmal braucht es einfach nicht mehr, um ein Thema totzuschlagen.



Die großen roten Zahlen, die sein Wecker an die Decke projizierte, zeigten erbarmungslos wie lange er mit offenen Augen im Bett lag. Sieben Stunden. Zweiundzwanzig Minuten. Gleich würde ein fürchterliches Piepen ihn aus dem Schlaf holen wollen, damit er sich für den Arbeitstag fertigmachen konnte. Aber das würde nicht geschehen.
Wenn er sich schwach fühlte, legte er sich ins Bett. Dort fehlte ihm die Kraft, um die Augen zu schließen. Also fand er keinen Schlaf, weshalb er sich weiter schwach fühlte. Ein Kreislauf.
Manchmal blieb er den ganzen Tag liegen und dachte nach, ohne wirklich zu denken. Er lag nur, existierte einfach, weil seine Vitalfunktionen ihn nicht im Stich ließen. Anders als er es mit seinen Freunden machte.
Riefen sie an, ließ er das Handy klingeln, wofür er sich gut mit allgemeiner Zerstreutheit entschuldigen konnte. Klingelte jemand an der Tür, stellte er sich abwesend. Niemanden sehen, niemandem zur Last fallen. Nur selten ging er in seiner Freizeit raus und dann bemerkte niemand etwas, weil er sich normal benahm, was auch immer das sein mochte. Lächelte an den richtigen Stellen, lachte über die richtigen Kommentare. Dass die Unterhaltungen fast gar nicht von ihm ausgingen, schien niemanden zu stören.
Heute würde er jedoch im Bett bleiben und somit nicht einmal zur Arbeit gehen. Er würde nur liegen, atmen, sein. Zu allem Anderen fehlte ihm die Kraft. Er würde nicht essen, nicht trinken, nicht fotografieren.
Dabei war die Fotografie sein Leben und die Werke aus seinen schlimmen Phasen gehörten zu seinen besten. Viele Stimmen hatten gelobt, dass er selbst in Alltäglichem noch düstere Blickwinkel entdeckte, die eine geheime Morbidität offenbarten. Aus banalen Situationen entstanden auf diese Weise ungeahnte Bedrohungen, die sich sehr von den Hochzeitsfotografien und bunten Bildern unterschieden, die sonst seine Werke schmückten. Die Düsternis diente in erster Linie seinem verwirrten Kopf als Ventil.
Doch nun konnte er sich nicht einmal dazu aufraffen.
Sein Wecker verkündete die richtige Uhrzeit zum Aufstehen.
Er blieb liegen.
Das Piepen arbeitete sich in seinen Kopf vor, kitzelte Synapsen, die dazu jedoch schwiegen. Der Wecker gab auf, wenn man ihn nur lange genug nicht beachtete, das hatte er vor einigen Wochen entdeckt.
Nichts war gut.
Nicht heute.

2 Kommentare:

  1. Ich glaube, ich hab mich noch selten so gut mit einem Text identifizieren können, wie mit diesem.
    Du hast dieses Gefühl wirklich unglaublich gut eingefangen. Ich konnte so mit ihm mitfühlen. Und der Titel der Challenge passt so unglaublich gut zur Thematik deines Textes. No Way out. Einen besseren/passenderen Text hätte man zu diesem Titel kaum verfassen können. ♥
    Ich hatte schon so viele Tage an denen ich morgens mit genau diesen Gedanken aufgewacht bin. No way out. Genauso fühlt es sich an.

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    1. Endlich habe ich es mal geschafft, Inhalt und Titel aufeinander abzustimmen :'D Das blinde Huhn hat sein Korn gefunden.
      Schön, dass die der Text gefällt. Es war erstaunlich leicht, sich in den Herrn hineinzufühlen, obwohl ich solche Gedanken von mir selbst gar nicht in der Heftigkeit kenne.
      Aber er geht mir irgendwie nahe genug, dass ich ihn total verstehen kann.

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