Und diesmal sogar mit einem völlig neuen Charakter!
Das heißt leider, dass die Geschichte um Elrica und Christopher heute noch nicht fortgesetzt wird. Aber da kommt noch mehr, keine Sorge.
Rose schaute erst auf den Mann, der vor ihr auf dem Boden
kauerte, dann auf ihre Hand. Ihre zu lange, zu schmale Hand mit der grauen Haut
und den dürren Fingern. Ihre Nägel waren eher Krallen – wie geschaffen für
einen Jäger.
Der Mann schaute aus hellblauen Augen zu ihr auf, ohne
einen Mucks zu sagen. Sie verstand ihn auch so, die Angst stand ihm schließlich
ins Gesicht geschrieben, seit er sie das erste Mal erblickt hatte.
„Du zögerst wieder?“, fragte Mutter von der Seite, etwas
wie Gereiztheit in der Stimme. Anders kannte Rose es nicht.
„Ja.“
„Das ist anormal.“
„Ich weiß.“
Ein verächtliches Schnauben war alles, was Mutter dazu
noch zu sagen hatte. Sie hatten oft miteinander diskutiert, dass etwas mit Rose
nicht stimmen konnte. Natürlich sagte Mutter niemals ‚Rose‘, das war
schließlich ihr menschlicher Name, den sie noch niemandem hier verraten hatte.
Stattdessen benutzte Mutter immer diesen Namen, der aus einem Laut bestand, den
kein Mensch jemals würde imitieren können. Das war wohl auch besser so.
Zumindest ihre menschliche Familie sollte glauben, sie sei ganz normal – wo
doch für ihre dämonische Familie feststand, dass sie eben nicht normal war.
Rose schaute wieder auf den Mann vor ihr. Inzwischen wimmerte
er undeutlicher vor sich hin.
Sie wusste nicht einmal, was er getan hatte. Vielleicht
nichts. Vielleicht war er ein herzensguter Mann wie der ältere Herr, der den
Kindern völlig ohne Hintergedanken Süßigkeiten zusteckte. Viele Bewohner ihrer
Straße hatten das mit Argwohn betrachtet, andere hatten ihn gleich als
Perversen oder Pädophilen beschimpft. Doch der alte Mann freute sich nur an dem
Lächeln im Gesicht eines Kindes, das unerwartet eine Kleinigkeit zugesteckt bekommt.
Der Mann vor Rose konnte zu diesen Menschen gehören, den
Guten, die niemandem etwas antaten. Umso erstaunlicher, dass er es irgendwie
geschafft hatte in eines der Portale in ihre Welt zu stolpern. Die wurden sonst
vermehrt von schlechten Menschen gefunden.
Rose betrachtete ihn genauer. Wenn er nun doch zu den
Bösen gehörte- dann war er immer noch ein Mensch und sie nicht sein Richter.
„Was ist jetzt?“, fragte Mutter ungeduldig.
Tat Rose nicht, was von ihr verlangt wurde, sperrten ihre
Eltern sie in die dunkelste Ecke dieser Welt, wo sie über ihr Fehlverhalten
nachdenken konnte. Es war ein Ort ohne Licht, ohne Wärme, ohne Ton. Man hatte
dort nur sich selbst und trübe Gedanken. Nicht einmal mit Magie ließ sich
dieser eine Fleck erhellen, weshalb er treffend als „das Nichts“ bezeichnet
wurde. Dort war sie einmal gewesen, wobei sie beinahe den Verstand verloren
hatte. Sie hatte noch immer Angst davor, dorthin zurückkehren zu müssen.
Es war doch nur ein Hieb.
Der Nacken des Mannes war weder von Haaren noch einem
Kragen bedeckt.
Ihr war bewusst, dass ihr menschliches Antlitz nur eine Maske
war, das Leben nur ein Schauspiel, das bald enden musste. Eigentlich hatte ihr
Aussehen nichts Menschliches an sich, außer der groben Grundform. So sehr Rose
sich auch wünschte, sie wäre als Mensch geboren, war sie es doch nicht. Das
hier sollte in ihrer Natur liegen, wenn sie nur etwas mehr dem Ideal der
Dämonen entspräche.
Langsam ging sie um den Mann herum, drückte seinen Kopf hinunter.
Seine Angst war greifbar, sein Wimmern kaum zu ertragen.
Rose schloss die Augen, holte aus und brach ihm mit einem
gezielten Schlag das Genick.
Noch ehe er vollständig auf den Boden gefallen war,
stellte sich Mutter näher heran. Ihre kleinen Augen musterten die Leiche reglos.
So war es immer mit ihr. Ihr Gesicht erinnerte Rose mehr an ein Rind als an
einen Menschen.
„Du sollst das Herz herausreißen“, dröhnte Mutters tiefe
Stimme durch die Höhle, „das haben wir dir jetzt oft genug gesagt!“
Jedes Mal schor Rose, es beim nächsten Mal richtig zu
machen. Sie würde den Brustkorb mit ihrer grauen Hand durchstoßen, das Herz mit
ihren viel zu langgliedrigen Fingern packen und es hinausziehen. So sollte es
schließlich sein.
Aber sie konnte das nicht machen.
„Es tut mir leid“, piepste sie kleinlaut.
„Wir geben dir noch eine Chance. Eine einzige. Beweise
dich.“
Mit diesem Worten drehte Mutter sich um und verschwand. Das
Zucken in ihren Flügeln ließ bereits von hinten erkennen, dass sie sich über
etwas ärgerte.
Selbst als Tochter zweier hochrangiger Dämonen konnte
Rose sich nicht zu viele Fehltritte leisten. Und davon hatte sie schon einige
auf ihrer Karte, weil sie in ihren Gedanken schon als Kind mehr Mensch denn
Dämon gewesen war.
Sie blickte auf die Leiche des Mannes und schluckte
schwer. Sein Herz herausreißen? Das könnte sie nicht. Niemals!
Wow! Eine ganz andere Geschichte, als ich es erwartet hätte! :D Ich finde es toll, dass du so viele unterschiedliche Themen und Universen austestest und deine Ideen immer wieder so toll umsetzt. Großartig! :D
AntwortenLöschenDankeschön :) Rosie zu schreiben, hat auch viel Spaß gemacht. Ihr Hintergrund unterscheidet sich so sehr von dem meiner anderen Chataktere, dass ich einen Moment besorgt war xD
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