Inspiriert wurde das von zwei Dingen:
Nummer 1: Meine Erdbeere. Weil sie meinte, sie würde es vermissen, dass ich hier poste, strengte ich meine Gehirnzellen mal so an, dass da etwas bei rumkam, dass kein Insider ist.
Nummer 2: 100 Themes Challenges. Ich habe mir vor ein paar Wochen mal welche rausgesucht und da war das Thema "All That I Have". Nun. Das Ergebnis passt wie so oft bei mir nicht zum Thema, aber man kann es hoffentlich lesen, ohne bis ans Ende seiner Tage verwirrt zu sein.
Ein langer und langweiliger Arbeitstag lag hinter ihr.
Akten, Anträge, Berichte, all der Müll, den sie bearbeiten musste. Kollegen,
die ihre Waffe benutzt hatten und sich nun bei ihr ausweinten, weil sie
suspendiert werden sollten. Blablabla. Lynn hasste das. Doch nun war sie
endlich wieder zuhause, in ihrem kleinen Zimmerchen möglichst nah an der Arbeit
und gleichzeitig möglichst günstig.
Sie trat ein in das, was sich Wohnung schimpfte, und
schaute zum eingeschalteten Fernseher, vor dem eine Frau saß. Ja, eine Frau,
ihre Mitbewohnerin, die immer noch kein Wort mit ihr gesprochen hatte. Ein
mittelschwerer Fehlschlag. Wenigstens lebte sie im Gegenteil zu ihren Vorgängern
noch. Lynn hatte sie Amber getauft, weil der Ansatz der grell pink gefärbten
Haare blond anmutete.
Die Tür ging leise zu, Amber fixierte weiterhin den
Fernseher, der fröhlich die Musik irgendeines Kanals für Kinder vor sich hin
dudelte. In ihren Händen hielt sie eine dampfende Tasse, also war sie wohl dazu
fähig gewesen, sich einen Kakao warm zu machen. Wie es roch, war die Küche dabei
nicht abgefackelt oder mit heißer Milch überschwemmt – was auch schwerlich
möglich gewesen wäre, dafür war der Rest Milch zu klein gewesen.
Lautlos ging Lynn um sie herum und lugte vorsichtig durch
die geöffnete Küchentür. Alles in Ordnung. Das war gut, Amber machte
Fortschritte. Wenn es so weiterging, konnte sie vielleicht demnächst doch
reden!
Ob sie sich auch an das erinnerte, was geschehen war?
Bisher sah es nicht danach aus, doch das müsste damit einher gehen, dass sie
einfachste Fähigkeiten wiedererlernte. Das Zubereiten von heißem Kakao oder das
Einschalten des Fernsehers hätten nach Lynns Meinung zwar erst nach dem
Sprechen kommen müssen, aber das war jetzt auch egal. Die Seele musste im
fremden Körper erst einmal Gripp kriegen, da war es ganz gleich, was funktionierte,
solange es funktionierte.
Lynn schmiss ihre Handtasche auf das Bett, vor dem Amber
es sich auf einem Sitzkissen bequem gemacht hatte, und schaute zu ihrer Kommode
hinüber. Der goldene Käfig stand darauf, genau wie es sein sollte, unberührt
seit Jahren, damit er nicht aufgehen konnte und der Inhalt verloren ging.
Diesen Käfig durfte sie gar nicht besitzen, das verbat ihr Beruf. Das galt
jedoch nur für Lynn, nicht für Christie, wie sie einst genannt worden war.
Damals.
Das Straßenkind, das gerettet wurde. Das Mädchen, das die
letzten Atemzüge eines Mannes mit ansehen musste, der ihm wichtig war. Die Frau,
die immer noch glaubte, Dans Lippen auf ihren zu spüren.
Sie würde ihn schon wieder zurückkriegen, ihren Daniel,
das wusste sie. Amber war der erste Schritt in die richtige Richtung. Ein getötetes
Kind, dessen Seele sie in den Körper dieser Frau mit den Tattoos und pink
gefärbten Haaren gepackt hatte, und das sich bisher wacker hielt. Sie atmete.
Sie aß. Sie konnte den Fernseher alleine bedienen und sich Kakao aufwärmen.
Nicht mehr lange, dann sprach sie bestimmt auch. Die anderen davor, die zehn
oder zwanzig oder dreißig Seelen in fremden Körpern, hatten es meist nicht
einmal über die erste Nacht geschafft, ehe Lynn sie in den Fluss geworfen
hatte.
Nein, das war Christie gewesen.
Lynn hielt sich an Gesetze, das musste sie tun, weil es
sie gab. Christie hatte nie wirklich existiert, war dann mit Daniels Körper verschwunden
und führte nun ein Dasein im Schatten der Frau, die dieses Zimmer gemietet
hatte, jeden Tag ihrer Arbeit nachging und ein rundum unauffälliges Leben
führte. Manchmal ging sie aus. Meistens nicht. So war es in Ordnung und so
würde es bleiben, bis Christie ihren Dan zurückbekam – dann wurde Lynn nicht
mehr gebraucht, konnte verschwinden. Nie wieder Haare blondieren, nie wieder
farbige Kontaktlinsen. Nur noch Christie und Dan, egal wie er dann aussah, er
wäre ihr Dan.
Bevor sie aber überhaupt auch nur annähernd daran denken
konnte, musste es mit Amber erst einmal funktionieren. Dann noch ein oder zwei
Testläufe an anderen Seelen und Körpern, bis Christie sich sicher war, dass
alles zu ihrer Zufriedenheit verlief.
Amber legte den Kopf in den Nacken, als ein
Zeichentrickmädchen im Fernsehen auf etwas zeigte und die Kinder vorm
Bildschirm fragte, was es sei. Natürlich war die Pause, die es machte, viel zu
kurz, um zu antworten, denn welches Kind konnte heute schon noch sagen, dass es
sich um eine Banane handelte. Außer es war ein Oberschichtenkind, da gab es
vielleicht noch welche. Doch das interessierte Lynn viel weniger als Amber, die
fragend zu ihr schaute.
„Das ist eine Banane. Das schmeckt so wie die gelben
Jelly Beans mit den braunen Flecken“, erklärte Lynn, obwohl sie bezweifelte,
dass der Geschmack einer echten Frucht auch nur annähernd ähnelte.
Nickend wandte Amber sich wieder dem Fernseher zu.
Lynn selbst hatte Bananen niemals gegessen, doch in ihrer
Zeit als Christie hatte Dan ihr Wissen über viele Dinge eingeflößt. Das Leben
mit ihm war ein ständiger Lernprozess gewesen, in dem sie vieles von der
Vergangenheit gehört hatte, was auch er nicht miterlebt haben konnte. Es war so viel dabei gewesen, dass-
„Banaaaane“, murmelte Amber, „Jelly Beans schmecken gut.“
Es lief doch!
Ich kann nur sagen, dass ich die Sachen, die du schreibst unglaublich mag und dass ich immer wieder aufs Neue über deine Ideen staune. Echt toll! :) Und es freut mich ganz wahnsinnig, dass du wieder hier aktiv bist ♥
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