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[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

11.05.2016

[That was my crime]

Manchmal wundere ich mich selbst, wie ich auf meine Kapitel/Geschichten/Schreibereien komme. Vor allem, wenn ich mir die anschaue, die einfach nur traurig sind. Und dann frage ich mich als nächstes, wieso ich so gerne dieselben Charaktere leiden lasse.
Jedenfalls wieder ein Writing Prompt, bei dem das Thema mich durchaus auch anders hätte inspirieren können. Nun, beim nächsten Mal vielleicht.



Begging or offering (begging or pleading for mercy, for sexual release, to be taken; a character offering himself; neediness)
(Optional: slash * POV - third person (limited) )

Der Wind wehte um ihren Körper, viel stärker als sie es sich vorgestellt hatte. Es hatte nur nach einem lauen Lüftchen ausgesehen, doch nun fegten ihr die Böen durch die Kleidung und ließen sie zittern. Das ließ sie nicht mehr zurückrennen, wo sie doch so lange auf dieses Gespräch gewartet hatte.
Erst war ihr gar nicht bewusst gewesen, mit wem sie reden sollte. Alle hatten sich angeboten und niemand war richtig gewesen. Er war ihr nicht in den Sinn gekommen, das tat er nie, obwohl er stets in ihrem Hinterkopf war. Sie liebte ihn noch immer von ganzem Herzen, weshalb es wahrscheinlich die richtige Entscheidung war, mit ihm reden zu wollen. Doch nun, wo sie hier im Wind stand, wusste sie gar nicht, womit sie beginnen sollte.
Es gab so viele Sachen, die sich in all diesen Jahren aufgestaut hatten, die sie nun eigentlich hinaus lassen könnte. Wäre das richtig? Sollte sie nicht gleich mit dem wichtigsten beginnen und alles andere vorerst ruhen lassen? Die vielen Worte waren schon seit so langer Zeit unter Verschluss, so sehr sie sich auch oft gewünscht hatte, sie ihm sagen zu können. Das hatte sie sich nie getraut.
Verrückt, dachte sie, dabei hört er doch jedem zu.
Wie sie sich da nicht hatte trauen können, war ihr ein Rätsel.
Ihr Handy vibrierte in ihrer Hosentasche. Sie rieb sich über die kühlen Arme und richtete den Blick nach oben. Dort war er.
„Ich weiß, dass du das nicht gerne hörst, aber ich möchte dich um etwas bitten.“ Sie schluckte. „Jack, er… ich weiß, es bringt ihn nicht zurück hierher und ich weiß auch, dass Pete irgendwann ohne ihn glücklich wird. Irgendwie. Und mit irgendwem. Aber ich… ich vermisse Jacky. Deshalb…“
Sie setzte einen vorsichtigen Schritt nach vorne. Es war alles geplant, es war alles gewollt. Sie konnte nicht bleiben, dafür machte sie zu viel verkehrt.
Es gelang ihr nicht, sich mit Ludwig zu versöhnen. Einen der Gründe dafür kannte er noch nicht einmal, wie sollte er auch. Er lauschte ja nicht an ihrer Wohnungstür um mitzukriegen, was sie mit Pete trieb, den das ebenso wenig langfristig glücklich machte wie sie. Aber es war warm mit ihm und sie merkte, dass sie noch existierte, wenn sie seine Haut an ihrer spürte, sein Streicheln, seine Lippen.
Eine Hand rutschte auf ihren Bauch, als sie ihre Gedanken wieder an diesen Ort zwang, weg von Petes Bett, weg von dem Arzt, der ihr die anscheinend freudige Botschaft verkündet hatte.
„Gramps, ich muss Entscheidungen treffen, die ich nicht treffen kann. Ich will dich nur darum bitten, dass du mich nicht für meine Schwäche verurteilst, wenn wir uns wiedersehen, okay?“
Kein Zeichen. Kein Leuchten. Nicht einmal ein Vogel war zu hören.
Sie seufzte, atmete dann tief durch. Es waren nur noch zwei Schritte und wenige Sekunden. Es würde den anderen wehtun, sehr sogar. Doch sie konnte nicht mehr weitermachen an dieser Stelle, an der es nur noch Unglück für sie gab.
Ein Schritt.
Der Abgrund war von oben viel tiefer, als sie vom Boden erwartet hatte. Schätzen war niemals eine ihrer Stärken gewesen.
„Kannst du auch Jack darauf vorbereiten? Ich meine… er war körperlich immer der schwächere von uns beiden und hat sich trotzdem immer unnötig um mich gesorgt. Wenn er mich bei euch sieht, dann dreht er durch, weil es ihm nicht gelungen ist, mich zu beschützen!“
Immer noch nichts. Sie fühlte Tränen ihre Wangen hinunter laufen wie alte Vertraute, die in den vergangenen Monaten immer häufiger in ihrem Leben gewesen waren. Doch die Lücke, die von Jack gerissen worden war, hatten auch die Tränen nicht gefüllt.
Hamburg am späten Abend. Sie wusste nicht, wann sie diesen Ausblick zuletzt gesehen und genossen hatte. Die vielen Lichter von Reklamen und Häusern und Autos waren wunderschön, reizten sie jedoch nicht mehr.
„Du hast mir mal gesagt, ich solle meinen eigenen Weg finden und niemals aufgeben. Ist das hier aufgeben?“
Der zweite Schritt. Die Brüstung war nicht hoch.
Wenn sie weg war, dann würde dieser Fluch in ihr niemanden mehr von der Welt reißen. Aber warum hatte sie dann plötzlich so weiche Knie? Alles durchdacht, alles geplant. Alles gewollt. Sie hätte schon vor Jahren hier stehen sollen, allein um Jack in Sicherheit zu wiegen.
Schlotternd streckte sie den Kopf über die Brüstung und blickte in die Tiefe. Meter um Meter ging es steil hinab, bis ganz dort unten, wo sie nicht mehr viel erkennen konnte, endlich der Bürgersteig kam. Wenige Sekunden. Wahrscheinlich verlor sie noch auf dem Weg das Bewusstsein.
„Ich hab Angst. Was ist, wenn ich gar nicht zu euch komme?“
Dann hätte sie wenigstens ein paar Menschen vor sich selbst gerettet und das sollte ihr doch reichen. Jedenfalls hatte sie sich das vorhin noch immer wieder einreden wollen.
„Es tut mir so leid, dass ich nicht mehr deine starke, kleine Cas bin. Ich wäre es wirklich gerne, aber-“
„Casey!“
Nein, nein, nein! Warum musste er gerade jetzt auftauchen, wo sie doch in den vergangenen Wochen so gut wie nicht mehr miteinander gesprochen hatten?
Langsam drehte Casey den Kopf zur Tür, die als einzige auf das Flachdach des Hauses führte, und wurde ein wenig von dem heraus dringenden Licht geblendet.
„Halt mich bitte nicht auf“, sagte sie leise und erkannte selbst, dass sie keine drei Meter weit zu hören gewesen war, weshalb es ihn auch nicht aufhielt.
„Komm zu mir, es ist alles gut“, versuchte er es dabei noch einmal mit dieser Stimme, die ihr damals als erstes aufgefallen war. Immer ruhig, nicht zu tief, einfach wie die Stimme des Mentors, der er zuerst für sie gewesen war. Bis sie begonnen hatte, mehr in Ludwig zu sehen als einen bloßen Freund.
„Ich will aber nicht mehr! Nichts ist gut!“, stieß sie so plötzlich hervor, dass er auf seinem Platz verharrte. „Jacky ist… weg. Zwischen uns ist nichts gut. Pete geht es nicht gut. Chant geht es nicht gut. Und ich bin schuld an allem.“
„Das ist stimmt doch gar nicht!“
„Wäre ich nicht mit ihm dort gewesen; hätte ich mich nicht überreden lassen, mit ihm hinzugehen; hätten diese Kerle nicht mich gesucht und ihn erwischt, dann wäre Jack noch hier!“
Ludwig machte einen vorsichtigen Schritt in ihre Richtung, bei dem sie sich zu ihm drehte und gegen die niedrige Brüstung drückte. „Ich tu euch allen nur weh, immer und immer wieder. Das muss endlich ein Ende finden.“
Auch in genau diesem Moment konnte sie Schmerz in seinen Zügen erkennen, besonders wenn seine hellblauen Augen ihre trafen. Nicht einmal, wenn sie diesen Schrecken beenden wollte, ging es ohne jemanden zu verletzen. Das mochte ein Teil von Caseys Fluch sein, der wahrscheinlich mehr und mehr die Kontrolle über ihr Leben gewann. Nicht mehr lange.
„Wir brauchen dich doch. Wenn du jetzt wirklich diesen letzten Sprung wagst“, er machte zwei weitere Schritte, während er sprach, „dann hilfst du damit niemandem. Wir wollen nach Jack nicht auch noch dich verlieren, Schatz.“
Verdattert wrang sie die Hände. Ludwig benutzte selten Spitznamen für sie, weil er immer befürchtete, er würde sie auch vor den anderen benutzen, die gar nichts von ihrer  Beziehung erfahren sollten. Dabei war es ihm egal, wie er von seinen anderen Mitarbeitern angesehen werden würde, wenn diese erführen, dass er mit einer seiner Untergebenen liiert war. Auch der Altersunterschied spielte für ihn keine Rolle. Er beugte sich einfach Caseys Wunsch nach Privatsphäre. Nein, er hatte sich gebeugt, denn sie hatten sich getrennt, obwohl es keiner wirklich gewollt hatte.
„Das nimmt nur eine Last von euch!“, schnell wandte sie sich wieder um, schluckte und kletterte auf die Brüstung. Der Wind war inzwischen so kalt, dass sie nicht aufhören konnte zu zittern.
Warum zögerte sie denn noch? Es war doch alles klar, alles gesagt. Ohne sie konnte es doch für die anderen nur besser werden, viel besser. Aber der Boden war so weit weg. Casey schaute hinunter. Hamburg am späten Abend war einfach wunderschön.
„Du musst das nicht tun“, sagte Ludwig, der anscheinend näher gekommen war, „du willst es doch gar nicht wirklich.“
„Doch, muss ich“, sagte sie mehr zu sich selbst, „damit ihr nicht ständig in Gefahr lebt, von mir umgebracht zu werden.“
„Casey…“
Sie fühlte, wie er ihre Hand griff, und drehte sich wieder zu ihm herum. Er zog nicht, er hielt sie nicht einmal besonders fest. Doch seine Hand lag warm und schützend auf ihrer, als gehörte sie genau dorthin.
„Geh einfach wieder. Vergiss, dass du hier warst. Lass mich dieses eine Mal was richtig machen“, bat sie ihn, sah jedoch wie er mit dem Kopf schüttelte.
„Das ist nicht richtig, das ist weglaufen. Du bist keine tickende Zeitbombe. Wir brauchen dich.“
In seinen Augen suchte sie nach einem Anzeichen dafür, dass er log, obwohl sie das auch so genau wusste. Aber es sah aus, als meinte er es ehrlich. Casey stieg wie von selbst von der Brüstung und schaute Ludwig weiterhin verwirrt an.
„Wieso?“, fragte sie.
„Weil wir dich alle lieben“ – sie zuckte – „jeder auf seine Art.“
Ihre freie Hand rutschte erneut auf ihren Bauch, in dem etwas zu rumoren begann.
„Das bringt aber nichts, wenn ich euch nur unglücklich machen kann!“, stieß sie da hervor, um sich keine Gedanken über das machen zu müssen, was sie tun musste, wenn sie sich nicht dazu bringen konnte, ihrer Existenz ein Ende zu setzen. „Warum bist gerade du eigentlich hier? Wir haben uns nicht grundlos getrennt und jetzt ist für dich alles wieder okay?“
„Es ist nicht okay. Nicht alles. Aber dich so endgültig zu verlieren, wäre das schlimmste, was ich mir vorstellen kann.“ Ganz langsam streckte er die zweite Hand nach ihr aus. „Komm mit mir zurück, dann können wir in Ruhe reden. Ich sehe doch ganz genau, wie du frierst. Lass uns im Warmen sitzen und uns unterhalten. Hm?“
Nein! Das wollte sie nicht! Sie war hergekommen, weil es einen Plan gab, den sie umsetzen musste! Doch ihr Körper widersprach dem, was ihr Kopf sagte, ging an der ausgestreckten Hand vorbei und drückte sich gegen Ludwigs Körper, sodass er sie reflexartig in die Arme nahm. Bevor Casey richtig verstehen konnte, was sie tat, liefen Tränen unkontrolliert ihre Wangen hinunter, befeuchteten Ludwigs Pullover.
„Ich verliere immer alle, die ich… liebe“, schluchzte sie, „du weißt doch, dass es nicht nur Jacky war. Er hat mich gebeten, es ihm zu sagen. Er hat mich angefleht, es endlich zu sagen. Und dann hab ich‘s getan und dann hat mein Fluch ihn mir genommen! Er war doch wie mein kleiner Bruder für mich, da… da konnte ich ihm das nicht vorenthalten. ‚Ich hab dich auch lieb‘, hab ich gesagt und das hat gereicht! Ich will diesen Fluch nicht mehr haben, ich will nicht immer alle verlieren! Ich könnte dich verlieren, ich könnte… ich…“ Die Worte brachen ab, als das Schluchzen heftiger wurde, die Tränen noch mehr flossen.
Ludwig wiegte sie leicht, streichelte ihr dabei beruhigend über die ausgekühlten Schultern. „Du verlierst mich schon nicht, keine Angst. Wenn du es willst, lass ich dich nie mehr los, Liebling.“

In genau diesem Moment war das alles, was sie brauchte. Irgendwann würde sie Jack und ihren Großvater wiedersehen, ganz bestimmt. Aber diese Zeit war nicht gekommen, nicht in genau diesem Augenblick, in dem sie etwas wiederbekommen hatte, das sie sich selbst genommen hatte. Und vielleicht, dachte sie mit böser Klarheit, als Ludwig sie sanft auf die Wange küsste, gab es für das kleine Problem in ihrem Bauch auch eine Lösung.



Wieso kein Slash? wieso kein Sex? Wieso nichts?! Ich bin selbst zutiefst erschüttert.

2 Kommentare:

  1. Es ist schön mal wieder was von Casey zu lesen und auch von Jack. Ich finde die Geschichte immer noch super. Und du hast das alles wirklich sehr schön beschrieben und geschildert und die Gefühle udn Gedanken von Casey gut rübergebracht. ♥

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    1. Ich hatte solche Bedenken wegen Caseys Gedanken und Gefühlen, weil sie einfach einerseits vollkommen klar sind, aber andererseits komplett aus dem Ruder geraten. Aber dann einfach ihre schlechten Selbsteinschätzung zu betonen, schien mir dann am sichersten. xD Schön, dass es dir gefällt, auch wenn ich Jack leider... nun... :'(

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