Jedenfalls wieder ein Writing Prompt, bei dem das Thema mich durchaus auch anders hätte inspirieren können. Nun, beim nächsten Mal vielleicht.
Begging or offering (begging or pleading for mercy, for sexual release, to be taken; a character offering himself; neediness)
(Optional: slash * POV - third person (limited) )
Der Wind wehte um ihren Körper, viel stärker als sie es
sich vorgestellt hatte. Es hatte nur nach einem lauen Lüftchen ausgesehen, doch
nun fegten ihr die Böen durch die Kleidung und ließen sie zittern. Das ließ sie
nicht mehr zurückrennen, wo sie doch so lange auf dieses Gespräch gewartet
hatte.
Erst war ihr gar nicht bewusst gewesen, mit wem sie reden
sollte. Alle hatten sich angeboten und niemand war richtig gewesen. Er war ihr
nicht in den Sinn gekommen, das tat er nie, obwohl er stets in ihrem Hinterkopf
war. Sie liebte ihn noch immer von ganzem Herzen, weshalb es wahrscheinlich die
richtige Entscheidung war, mit ihm reden zu wollen. Doch nun, wo sie hier im
Wind stand, wusste sie gar nicht, womit sie beginnen sollte.
Es gab so viele Sachen, die sich in all diesen Jahren
aufgestaut hatten, die sie nun eigentlich hinaus lassen könnte. Wäre das
richtig? Sollte sie nicht gleich mit dem wichtigsten beginnen und alles andere
vorerst ruhen lassen? Die vielen Worte waren schon seit so langer Zeit unter
Verschluss, so sehr sie sich auch oft gewünscht hatte, sie ihm sagen zu können.
Das hatte sie sich nie getraut.
Verrückt,
dachte sie, dabei hört er doch jedem zu.
Wie sie sich da nicht hatte trauen können, war ihr ein
Rätsel.
Ihr Handy vibrierte in ihrer Hosentasche. Sie rieb sich
über die kühlen Arme und richtete den Blick nach oben. Dort war er.
„Ich weiß, dass du das nicht gerne hörst, aber ich möchte
dich um etwas bitten.“ Sie schluckte. „Jack, er… ich weiß, es bringt ihn nicht
zurück hierher und ich weiß auch, dass Pete irgendwann ohne ihn glücklich wird.
Irgendwie. Und mit irgendwem. Aber ich… ich vermisse Jacky. Deshalb…“
Sie setzte einen vorsichtigen Schritt nach vorne. Es war
alles geplant, es war alles gewollt. Sie konnte nicht bleiben, dafür machte sie
zu viel verkehrt.
Es gelang ihr nicht, sich mit Ludwig zu versöhnen. Einen der
Gründe dafür kannte er noch nicht einmal, wie sollte er auch. Er lauschte ja
nicht an ihrer Wohnungstür um mitzukriegen, was sie mit Pete trieb, den das
ebenso wenig langfristig glücklich machte wie sie. Aber es war warm mit ihm und
sie merkte, dass sie noch existierte, wenn sie seine Haut an ihrer spürte, sein
Streicheln, seine Lippen.
Eine Hand rutschte auf ihren Bauch, als sie ihre Gedanken
wieder an diesen Ort zwang, weg von Petes Bett, weg von dem Arzt, der ihr die anscheinend
freudige Botschaft verkündet hatte.
„Gramps, ich muss Entscheidungen treffen, die ich nicht
treffen kann. Ich will dich nur darum bitten, dass du mich nicht für meine
Schwäche verurteilst, wenn wir uns wiedersehen, okay?“
Kein Zeichen. Kein Leuchten. Nicht einmal ein Vogel war
zu hören.
Sie seufzte, atmete dann tief durch. Es waren nur noch
zwei Schritte und wenige Sekunden. Es würde den anderen wehtun, sehr sogar.
Doch sie konnte nicht mehr weitermachen an dieser Stelle, an der es nur noch
Unglück für sie gab.
Ein Schritt.
Der Abgrund war von oben viel tiefer, als sie vom Boden
erwartet hatte. Schätzen war niemals eine ihrer Stärken gewesen.
„Kannst du auch Jack darauf vorbereiten? Ich meine… er
war körperlich immer der schwächere von uns beiden und hat sich trotzdem immer
unnötig um mich gesorgt. Wenn er mich bei euch sieht, dann dreht er durch, weil
es ihm nicht gelungen ist, mich zu beschützen!“
Immer noch nichts. Sie fühlte Tränen ihre Wangen hinunter
laufen wie alte Vertraute, die in den vergangenen Monaten immer häufiger in
ihrem Leben gewesen waren. Doch die Lücke, die von Jack gerissen worden war,
hatten auch die Tränen nicht gefüllt.
Hamburg am späten Abend. Sie wusste nicht, wann sie
diesen Ausblick zuletzt gesehen und genossen hatte. Die vielen Lichter von
Reklamen und Häusern und Autos waren wunderschön, reizten sie jedoch nicht
mehr.
„Du hast mir mal gesagt, ich solle meinen eigenen Weg
finden und niemals aufgeben. Ist das hier aufgeben?“
Der zweite Schritt. Die Brüstung war nicht hoch.
Wenn sie weg war, dann würde dieser Fluch in ihr
niemanden mehr von der Welt reißen. Aber warum hatte sie dann plötzlich so
weiche Knie? Alles durchdacht, alles geplant. Alles gewollt. Sie hätte schon
vor Jahren hier stehen sollen, allein um Jack in Sicherheit zu wiegen.
Schlotternd streckte sie den Kopf über die Brüstung und blickte in die
Tiefe. Meter um Meter ging es steil hinab, bis ganz dort unten, wo sie nicht
mehr viel erkennen konnte, endlich der Bürgersteig kam. Wenige Sekunden.
Wahrscheinlich verlor sie noch auf dem Weg das Bewusstsein.
„Ich hab Angst. Was ist, wenn ich gar nicht zu euch
komme?“
Dann hätte sie wenigstens ein paar Menschen vor sich
selbst gerettet und das sollte ihr doch reichen. Jedenfalls hatte sie sich das
vorhin noch immer wieder einreden wollen.
„Es tut mir so leid, dass ich nicht mehr deine starke,
kleine Cas bin. Ich wäre es wirklich gerne, aber-“
„Casey!“
Nein, nein, nein!
Warum musste er gerade jetzt auftauchen, wo sie doch in den vergangenen Wochen
so gut wie nicht mehr miteinander gesprochen hatten?
Langsam drehte Casey den Kopf zur Tür, die als einzige
auf das Flachdach des Hauses führte, und wurde ein wenig von dem heraus
dringenden Licht geblendet.
„Halt mich bitte nicht auf“, sagte sie leise und erkannte
selbst, dass sie keine drei Meter weit zu hören gewesen war, weshalb es ihn
auch nicht aufhielt.
„Komm zu mir, es ist alles gut“, versuchte er es dabei
noch einmal mit dieser Stimme, die ihr damals als erstes aufgefallen war. Immer
ruhig, nicht zu tief, einfach wie die Stimme des Mentors, der er zuerst für sie
gewesen war. Bis sie begonnen hatte, mehr in Ludwig zu sehen als einen bloßen
Freund.
„Ich will aber nicht mehr! Nichts ist gut!“, stieß sie so
plötzlich hervor, dass er auf seinem Platz verharrte. „Jacky ist… weg. Zwischen
uns ist nichts gut. Pete geht es nicht gut. Chant geht es nicht gut. Und ich
bin schuld an allem.“
„Das ist stimmt doch gar nicht!“
„Wäre ich nicht mit ihm dort gewesen; hätte ich mich
nicht überreden lassen, mit ihm hinzugehen; hätten diese Kerle nicht mich
gesucht und ihn erwischt, dann wäre Jack noch hier!“
Ludwig machte einen vorsichtigen Schritt in ihre
Richtung, bei dem sie sich zu ihm drehte und gegen die niedrige Brüstung
drückte. „Ich tu euch allen nur weh, immer und immer wieder. Das muss endlich
ein Ende finden.“
Auch in genau diesem Moment konnte sie Schmerz in seinen
Zügen erkennen, besonders wenn seine hellblauen Augen ihre trafen. Nicht
einmal, wenn sie diesen Schrecken beenden wollte, ging es ohne jemanden zu
verletzen. Das mochte ein Teil von Caseys Fluch sein, der wahrscheinlich mehr
und mehr die Kontrolle über ihr Leben gewann. Nicht mehr lange.
„Wir brauchen dich doch. Wenn du jetzt wirklich diesen
letzten Sprung wagst“, er machte zwei weitere Schritte, während er sprach,
„dann hilfst du damit niemandem. Wir wollen nach Jack nicht auch noch dich
verlieren, Schatz.“
Verdattert wrang sie die Hände. Ludwig benutzte selten
Spitznamen für sie, weil er immer befürchtete, er würde sie auch vor den
anderen benutzen, die gar nichts von ihrer
Beziehung erfahren sollten. Dabei war es ihm egal, wie er von seinen
anderen Mitarbeitern angesehen werden würde, wenn diese erführen, dass er mit
einer seiner Untergebenen liiert war. Auch der Altersunterschied spielte für
ihn keine Rolle. Er beugte sich einfach Caseys Wunsch nach Privatsphäre. Nein,
er hatte sich gebeugt, denn sie
hatten sich getrennt, obwohl es keiner wirklich gewollt
hatte.
„Das nimmt nur eine Last von euch!“, schnell wandte sie
sich wieder um, schluckte und kletterte auf die Brüstung. Der Wind war
inzwischen so kalt, dass sie nicht aufhören konnte zu zittern.
Warum zögerte sie denn noch? Es war doch alles klar,
alles gesagt. Ohne sie konnte es doch für die anderen nur besser werden, viel
besser. Aber der Boden war so weit weg. Casey schaute hinunter. Hamburg am
späten Abend war einfach wunderschön.
„Du musst das nicht tun“, sagte Ludwig, der anscheinend
näher gekommen war, „du willst es doch gar nicht wirklich.“
„Doch, muss ich“, sagte sie mehr zu sich selbst, „damit
ihr nicht ständig in Gefahr lebt, von mir umgebracht zu werden.“
„Casey…“
Sie fühlte, wie er ihre Hand griff, und drehte sich
wieder zu ihm herum. Er zog nicht, er hielt sie nicht einmal besonders fest.
Doch seine Hand lag warm und schützend auf ihrer, als gehörte sie genau
dorthin.
„Geh einfach wieder. Vergiss, dass du hier warst. Lass
mich dieses eine Mal was richtig machen“, bat sie ihn, sah jedoch wie er mit
dem Kopf schüttelte.
„Das ist nicht richtig, das ist weglaufen. Du bist keine
tickende Zeitbombe. Wir brauchen dich.“
In seinen Augen suchte sie nach einem Anzeichen dafür,
dass er log, obwohl sie das auch so genau wusste. Aber es sah aus, als meinte
er es ehrlich. Casey stieg wie von selbst von der Brüstung und schaute Ludwig
weiterhin verwirrt an.
„Wieso?“, fragte sie.
„Weil wir dich alle lieben“ – sie zuckte – „jeder auf
seine Art.“
Ihre freie Hand rutschte erneut auf ihren Bauch, in dem
etwas zu rumoren begann.
„Das bringt aber nichts, wenn ich euch nur unglücklich
machen kann!“, stieß sie da hervor, um sich keine Gedanken über das machen zu
müssen, was sie tun musste, wenn sie sich nicht dazu bringen konnte, ihrer
Existenz ein Ende zu setzen. „Warum bist gerade du eigentlich hier? Wir haben
uns nicht grundlos getrennt und jetzt ist für dich alles wieder okay?“
„Es ist nicht okay. Nicht alles. Aber dich so endgültig
zu verlieren, wäre das schlimmste, was ich mir vorstellen kann.“ Ganz langsam
streckte er die zweite Hand nach ihr aus. „Komm mit mir zurück, dann können wir in Ruhe
reden. Ich sehe doch ganz genau, wie du frierst. Lass uns im Warmen sitzen und
uns unterhalten. Hm?“
Nein! Das wollte sie nicht! Sie war hergekommen, weil es
einen Plan gab, den sie umsetzen musste! Doch ihr Körper widersprach dem, was
ihr Kopf sagte, ging an der ausgestreckten Hand vorbei und drückte sich gegen
Ludwigs Körper, sodass er sie reflexartig in die Arme nahm. Bevor Casey richtig
verstehen konnte, was sie tat, liefen Tränen unkontrolliert ihre Wangen
hinunter, befeuchteten Ludwigs Pullover.
„Ich verliere immer alle, die ich… liebe“, schluchzte
sie, „du weißt doch, dass es nicht nur Jacky war. Er hat mich gebeten, es ihm
zu sagen. Er hat mich angefleht, es endlich zu sagen. Und dann hab ich‘s getan
und dann hat mein Fluch ihn mir genommen! Er war doch wie mein kleiner Bruder für
mich, da… da konnte ich ihm das nicht vorenthalten. ‚Ich hab dich auch lieb‘,
hab ich gesagt und das hat gereicht! Ich will diesen Fluch nicht mehr haben,
ich will nicht immer alle verlieren! Ich könnte dich verlieren, ich könnte… ich…“
Die Worte brachen ab, als das Schluchzen heftiger wurde, die Tränen noch mehr
flossen.
Ludwig wiegte sie leicht, streichelte ihr dabei
beruhigend über die ausgekühlten Schultern. „Du verlierst mich schon nicht,
keine Angst. Wenn du es willst, lass ich dich nie mehr los, Liebling.“
In genau diesem Moment war das alles, was sie brauchte.
Irgendwann würde sie Jack und ihren Großvater wiedersehen, ganz bestimmt. Aber diese
Zeit war nicht gekommen, nicht in genau diesem Augenblick, in dem sie etwas
wiederbekommen hatte, das sie sich selbst genommen hatte. Und vielleicht,
dachte sie mit böser Klarheit, als Ludwig sie sanft auf die Wange küsste, gab
es für das kleine Problem in ihrem Bauch auch eine Lösung.
Es ist schön mal wieder was von Casey zu lesen und auch von Jack. Ich finde die Geschichte immer noch super. Und du hast das alles wirklich sehr schön beschrieben und geschildert und die Gefühle udn Gedanken von Casey gut rübergebracht. ♥
AntwortenLöschenIch hatte solche Bedenken wegen Caseys Gedanken und Gefühlen, weil sie einfach einerseits vollkommen klar sind, aber andererseits komplett aus dem Ruder geraten. Aber dann einfach ihre schlechten Selbsteinschätzung zu betonen, schien mir dann am sichersten. xD Schön, dass es dir gefällt, auch wenn ich Jack leider... nun... :'(
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