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[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

29.01.2017

[11 Dead Wrong]

Bei diesem Text ist mir aufgefallen, wie wenig Ahnung ich von Medizin habe. Dass ich mir alles so zurechtgedreht habe, dass es wahrscheinlich vollkommen falsch ist, aber zur Story passt, ist wohl klar.



„Majestät!“, rief Winterhoff, kaum hatte er die Tür aufgestoßen.
Ich schaute irritiert von meinen Unterlagen auf, die erst vor wenigen Minuten einen Weg auf meinen Schreibtisch gefunden hatten.
„Bitte?“
„Verzeiht die Störung, aber es ist etwas sehr Unerfreuliches geschehen.“
Ob es unerfreulicher war als die ständigen Provokationen, die vom französischen Hof, jedoch niemals vom Regenten selbst oder seiner Familie ausgingen, versuchte ich an Winterhoffs Verhalten abzuschätzen. Nach außen war er auf den ersten Blick derselbe Gentleman wie immer, wenn man häufiger mit ihm zu tun hatte, erkannte man den harten Zug um seinen Mund.
„Was ist geschehen?“, fragte ich, während ich die Unterlagen beiseitelegte. Sie würden mir nicht davonlaufen, solange ich mich mit einem anderen Problem befasste.
„Jemand ist in den Palast eingedrungen“ – mein Mundwinkel zuckte – „es ist zwar nur ein Laufbursche, aber er ist in, sagen wir, fragwürdigem Zustand.“
Hinter mir hörte ich Christopher tief Luft holen und wusste, dass sein Gedankengang dem meinen glich. Es hatte bisher nicht viele Botenjungen gegeben, die in den Palast eingedrungen waren. Nur einen. Und der war nicht einmal ein Junge gewesen.
„Was wiederum die Frage offen lässt, weshalb Sie mich für diese Auskunft in meinem Schaffen unterbrechen.“
Winterhoff seufzte. „Jeder Eindringling ist der Königin zu melden, da Sie über das weitere Vorgehen entscheidet.“ Er ließ unausgesprochen, dass es sonst Wachen waren, die solche Nachrichten überbrachten. „In diesem Fall, gibt es jedoch einen weiteren Grund als das Protokoll“ – das ich ändern würde, immerhin hatte ich einen Hauptmann der Palastwache der sich mit solchen Fällen auseinandersetzen konnte – „der Junge ist verletzt und redet wirr. Das einzige, was in seinem, pardon, Gebrabbel Sinn machte, war der Name Bloom.“
Unwillkürlich drehte ich mich nach Christopher um, dessen Gesicht eine Spur fahler wirkte als sonst.
„Sie denken, er meint mich?“, fragte er, doch für mich klang die Überraschung in seiner Stimme nicht überzeugend. Auch Winterhoff wirkte verunsichert.
„Es gibt keinen anderen mit diesem Namen hier.“
„Darf ich fragen, wo sich der Junge befindet?“
„Gewiss, Majestät. Er sollte in Gewahrsam genommen werden, doch als die Verletzungen bemerkt wurden, brachte man ihn in die Krankenräume der Palastwache.“
Ich stand sofort auf. „Ich danke Ihnen für diese Nachricht, Sie dürfen nun wieder ihren eigenen Aufgaben nachgehen.“
„Aber, Majestät-“
„Auf Wiedersehen.“
Ich musste mit Christopher reden, was ich nicht konnte, wenn Zuhörer im Raum waren. Also wartete ich, bis Winterhoff endlich gegangen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte. Man konnte ihm ansehen, dass er es nicht gerne tat, mir als seiner Königin jedoch keinen Ungehorsam leisten wollte.
Christopher atmete tief aus, als ich mich schließlich wieder zu ihm wandte.
„Willst du sofort gehen? Du siehst aus, als ginge es dir nicht gut.“
„Was will Elrica denn wieder hier?“, fragte er, statt mir zu antworten.
Dass es sich bei dem Verletzten um Elrica handeln musste, stand für ihn also ebenso fest wie für mich, obwohl ein Teil von mir sich noch davon überzeugen wollte. Es könnte irgendein beliebiger Laufbursche sein. Nur wenige unter ihnen würden allerdings nach einem meiner Wachen fragen, noch weniger nach Jeff Bloom.
„Das erfährst du erst, wenn du mit ihr sprichst.“
Sofern dies überhaupt möglich war, schließlich hatte Winterhoff gesagt, sie sei nicht ganz bei Sinnen.
Christopher nickte und deutete auf die Tür, damit ich hinausging. Er kannte zwar den Weg, doch ich war immer noch die Königin, hinter der er gehen musste. Es war ein solcher Unsinn. In der Schwebenden Festung war ich auf gleicher Höhe mit Ehrenwerten Brüdern jedweder Altersklassen und Aufgabengebiete gegangen. Seit aus der Prinzessin in einfachen Kitteln eine Königin geworden war, hatte sich das geändert. Die Dienerschaft hatte ihren Platz hinter mir, obwohl ich das nicht einsah.
Christopher folgte mir in gebührlichem Abstand, musste mich jedoch mit einigen Worten in den richtigen Raum leiten, den ich in meiner ganzen Zeit hier nur einmal betreten hatte, um mich auch meinen bettlägerigen Wachen zu präsentieren. Es kam mir vor, als sei das eine Ewigkeit her, und doch hatte sich in diesen Unterkünften nichts geändert. Die dunklen Holzwände waren bar jeder Dekoration, von einem Kreuz abgesehen, und die Möbel mussten bald ersetzt werden, was ich später in die Wege leiten würde.
Im eigentlichen Krankenlager angekommen begrüßte mich ein Herr mittleren Alters mit weißblondem Haar und fast ebenso hellen Augen.
„Majestät, es ist mir-“
„Wo ist er?“, unterbrach ich ihn zu seinem Unmut und schluckte eine Entschuldigung hinunter.
„Ich führe Euch.“
Der Mann ging an einem voll bepackten Schreibtisch vorbei und leitete uns hinter einen Sichtschutz, an dem zwei Wachmänner sofort salutierten, was ich mit einem Abwinken unterband. In der Ecke stand ein Bett, auf dem eine Gestalt lag, die ich nicht recht erkennen konnte.
„Wir gingen erst davon aus, es sei ein Knabe“, erklärte der Mann, der wohl behelfsmäßig als Arzt hier tätig war, „aber es ist eine junge Frau.“
Ich hatte gar keine Zeit etwas zu sagen, schon stürmte Christopher an mir vorbei und kniete sich neben das Bett. Für mich war damit jeder Zweifel an der Identität unseres Eindringlings zerstreut. Sanft strich er Elrica über die Stirn, hielt inne und schaute den Arzt anklagend an.
„Sie glüht ja, Nathan! Warum tust du nichts?“
„Du kennst sie also wirklich? Es war vorerst nur eine Vermutung.“
„Ja, aber das hat mit ihrem Fieber nichts zu tun“, brummte Christopher, der den Arzt mit einem Blick fixierte, aus dem weniger Hass denn Angst sprach.
„Sind alle Schritte eingeleitet worden, die Dame von ihrem Fieber zu befreien?“, fragte ich.
Der Arzt dreht sich zu mir und nickte verhalten. „Eis ist bereits auf dem Weg, doch das Fieber ist nur ein Symptom, also wird der Dame auf diese Weise nicht hinreichend geholfen. Sie hat ein gebrochenes Bein, das sich entzündet hat und eitert. Es vergiftet ihren Körper. Für solche Fälle fehlt mir die Ausbildung – verzeiht.“
„Kann Doktor Smith etwas tun?“
Ich hatte bisher zu wenig Schnittpunkte mit dem Mann gehabt, der mein Leibarzt sein sollte, als dass ich mir ein eigenes Urteil zutraute.
„Ich habe bereits nach ihm geschickt, Majestät.“
Mit dieser Auskunft war ich zufrieden, bis ich den Blick des Aushilfsarztes sah, der entschuldigend wirkte. Gefiel es ihm nicht, diesen Schritt ohne meine Zustimmung gemacht zu haben, oder glaubte er nicht an den Erfolg?
Ich blickte zu Christopher, der weiter an Elricas Bett hockte und leise mit ihr sprach. Dass sie nicht auf ihn reagierte, störte ihn dabei wenig. Sie wimmerte nicht einmal, obwohl sie wahrscheinlich große Schmerzen durchlitt, soweit ich mir Knochenbrüche vorstellte.
„Wie lange ist sie schon so?“, fragte ich.
„So… was?“
„Ohne Bewusstsein. Mister Winterhoff sagte, sie habe wirr geredet, also muss sie doch mehr oder minder bei Sinnen gewesen sein.“
„Zuerst schon, aber das war wohl nur, weil sie unbedingt zu Jeff wollte. Als sie seinen Namen dann von uns gehört hat, hat sie das Bewusstsein verloren.“
Langsam ging ich zu Christopher und legte ihm eine Hand auf die Schulter, ohne etwas zu sagen. Jedes Wort von mir könnte jetzt falsch sein, das ahnte ich irgendwie.
„Sollen wir Euch mit Jeff und ihr alleine lassen? Dann kann ich Doktor Smith in aller Ruhe in diesen Fall einweisen.“
Christophers Muskeln spannten sich unter meiner Hand an, als gefiele ihm etwas nicht an der Vorstellung, mit mir alleine zu sein. Doch ich nickte dem Arzt zu, der den Raum sogleich mit den beiden Wachmännern verließ, die ich schon völlig vergessen hatte, und die Tür schloss.
Ich wartete kurz darauf, dass Christopher etwas sagte. Als das nicht geschah, holte ich mir einen Stuhl, auf den ich mich einige Schritte von ihm entfernt hinsetzen konnte. Es war nicht an mir, zuerst den Mund zu öffnen, da ich inzwischen zwar Christopher ein wenig kennen gelernt hatte, aber nur eines mit Sicherheit über Elrica sagen konnte: sie war ihm wichtig. So wichtig, dass er ihr die Löffel von König Germain gegeben hatte. So wichtig, dass er gemeinsam mit ihr nach Stille gefragt hatte, was noch gar nicht lang her war. Ich hatte sie weggeschickt – und nun war sie verletzt wieder im Palast.
„Hätte ich sie nicht gehen lassen sollen?“, murmelte er.
Mehr als ein nichtssagendes Schulterzucken hatte ich für ihn nicht übrig, weil es sich nicht ändern ließ, was er getan hatte. Oder eben nicht. Doch er sah es nicht mal, weil er seine Augen nicht von Elrica nahm.
„Wenn ich mitgegangen wäre-“
„Du erinnerst dich schon daran, dass sie das nicht wollte?“
„Ich hätte darauf bestehen sollen, statt nachzugeben. Aber das mache ich immer bei ihr und ich weiß nicht einmal, wieso! Eigentlich weiß ich auch gar nicht, wer sie ist; sie erzählt mir ja einfach nichts…“
Trotzdem durchlitt er Höllenqualen, weil es ihr schlecht ging. Bereits in den wenigen Minuten, die wir an ihrer Seite waren, schien er kleiner geworden zu sein.
„Ich konnte ihr Stille nicht geben und sie konnte nicht hierbleiben. Du konntest nicht von hier verschwinden, nicht nachdem du schon von zuhause weggelaufen bist. Niemand konnte ahnen, dass etwas geschehen würde.“
„Aber du bist die Königin! Du hättest bestimmt etwas tun können!“, warf er mir leise vor. Es war das erste Mal, dass er auf eine förmliche Anrede verzichtete, worüber ich mich kaum freuen konnte.
„Hätte ich“, sagte ich mit ruhiger Stimme. „Es gab nur keinen Anlass, etwas in die Wege zu leiten.“
Christopher stand auf, damit er sich vor mich stellen und von oben auf mich herabschauen konnte. Nicht böse, was wohl seine Intention war. Seine Schultern hingen und er sah aus, als würde er jeden Moment beginnen zu weinen. Ich hatte ihn nicht so verletzlich eingeschätzt nach allem, was Alec über seine Brüder erzählt hatte, die ihn Zeit seines Lebens immer als unerschütterliche Vorbilder präsentiert worden waren.
„Sie sollte Stille holen“, sagte er tonlos.
„Und wir haben ihr beide beteuert, dass ihre Auftraggeber mit der Auskunft, sie brauche mehr Zeit für die Planung, zufrieden sein würden. Wir haben ihr sogar Geld mitgegeben. Es ist niemandes Schuld, Christopher“, setzte ich leiser hinzu, um etwaigen Lauschern an der Tür nicht zu verraten, wie mein Gegenüber wirklich hieß. Es fühlte sich nur falsch an, ihn bei seinem falschen Namen zu nennen, wenn wir alleine waren.
„Jemand will Stille haben und du siehst das nicht als Grund zu handeln.“
Es war ein Vorwurf, den ich nicht ganz von der Hand weisen konnte, so sehr ich auch wollte. Aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung hatte jemals von dem Stein, der Stille genannt wurde, gehört. Davon glaubten mit Sicherheit nicht alle der Legende, womit sie seine Existenz leugnen würden. Nun gab es jedoch jemanden, der wusste, wo sich der Stein befand, was mich nicht annähernd so wenig berührte, wie ich Christopher glauben ließ. Nicht umsonst waren die Wachen außer- und innerhalb der Palastmauern verstärkt worden. Was den Geheimgang anging, waren wir jedoch vollends geschützt.
Stille ist in diesen Mauern sicher.“
„Wirklich? Wenn Alec und Elrica so einfach hier hereinkommen, warum nicht auch andere? Wahrscheinlich ist hier niemand sicher, von Ihrer Majestät abgesehen.“
Ich überhörte seine Provokation geflissentlich. „Die Schutzmaßnahmen wirken. Alec und Elrica sind geduldete Ausnahmen.“
Christopher legte die Stirn in Falten. Ehe er dazu kam, etwas zu sagen, wurde die Tür geöffnet und Doktor Smith trat ein. Er war vielleicht Mitte 30, mit braunen Haaren, dunklen Augen und immer brauner Kleidung. Trotz seines geringen Alters war er außerdem allen Unterlagen zufolge ein Meister seines Fachs. Mit schnellen Schritten trat er in den Raum, kniete kurz wortlos vor mir und wandte sich sofort seiner Patientin zu. Es störte ihn wohl nicht, dass Christopher ihn mit Argusaugen beobachtete, während er die Decken zur Seite schlug und Elrica so viel ihrer Kleidung entledigte, wie er als nötig erachtete.
Auch ich wollte sehen, was geschah, also stellte ich mich neben Christopher, den ich leicht am Arm berührte. Sofort zuckte er zurück, weshalb meine Hand schlaff an meiner Seite hinunterhing.
Elrica zitterte am ganzen Körper, obwohl ihr vor Hitze der Schweiß auf der Stirn stand. Sie war noch dünner, als ich unter der Kleidung erahnt hatte, doch das bemerkte ich fast nicht, zu sehr lenkten mich die vielen Blutergüsse auf ihrer Haut ab. Überall schienen sich welche versteckt zu haben, in allen Größen und Formen. Dazu kamen unzählige Kratzer.
Am schlimmsten sah ihr linkes Bein aus, das unterhalb des Knies in einem unnatürlichen Winkel abstand. Ich wandte den Blick schnell wieder ab und versuchte mich nicht zu erinnern, was ich gesehen hatte, doch das Bild hatte sich in meinem Kopf festgesetzt: ein Stück Knochen ragte aus ihrem Fleisch hinaus. Noch nie zuvor hatte ich solche Verletzungen gesehen, nur davon gehört.
„Majestät“, sagte Doktor Smith, ohne zu mir zu schauen, „setzt Euch, es nützt nichts, wenn Ihr zusammenbrecht.“
Ich blieb stehen. Ob aus Trotz oder aus Angst, auf dem Weg zu Stuhl zu stürzen, wusste ich nicht. Meine Beine wollten sich einfach nicht bewegen lassen.
Durch die geöffnete Tür trugen einige Diener Eis in Kübeln hinein und stellten es an der Wand ab. In ihren Gesichtern erkannte ich blankes Entsetzen und die Erleichterung, dass sie wieder hinausgehen durften. Unter anderen Umstände wären sie sicher geblieben, um die beinahe nackte Frau anzugaffen, die in dem Bett lag.
„Wollen Sie Elrica nicht abkühlen?“, fragte Christopher mit bebender Stimme, als nichts mit den Kübeln geschah.
Erwartungsvoll blickte ich zu Doktor Smith, der Elrica zudeckte und den Kopf schüttelte. Mein Herz pochte so laut, dass ich es hören konnte und befürchtete, auch die anderen könnten es.
„Mindestens drei Rippen sind gebrochen, das linke Handgelenk ist verstaucht. Die Blutergüsse sind einige Tage alt und wahrscheinlich mit allen anderen Verletzungen zusammen entstanden. Ich kann nicht sagen, ob in ihr noch mehr verletzt wurde, aber es ist nicht unwahrscheinlich. Gravierend ist in erster Linie der offene Bruch am linken Bein. Ich kann sein Alter nicht einschätzen, gehe aber mit Mister Madins Meinung konform, dass die Entzündung, die dort entstanden ist, den Rest ihres Körpers vergiftet. Dass sie es in dem Zustand überhaupt hierhergeschafft hat, ist nur großer Willenskraft zuzuschreiben. Die Schmerzen müssen höllisch sein.“
„Was soll das heißen? Helfen Sie ihr nun, oder nicht?“
Doktor Smith schüttelte abermals den Kopf und ich griff geistesgegenwärtig nach Christophers Hand, damit er nicht sofort auf ihn losging. Dass ich ihn nicht zurückhalten konnte, sollte er es wirklich wollen, war mir bewusst.
„Das Gewebe um den Bruch stirbt bereits, der Rest ihres Körpers ist heiß. Sie kämpft, aber das wird nicht reichen. Ich kann das Bein abnehmen und beginnen zu beten, dass sie den Eingriff überlebt, was in ihrem Zustand höchst unwahrscheinlich ist. Tut sie es tatsächlich, ist immer noch Gift in ihrem Körper, das ich nicht entfernen kann. Es gibt keine Mittel dagegen.“
Seiner Stimme fehlte jegliches Mitgefühl, war klar und sachlich. Er hatte den Fall analysiert und seine Schlüsse gezogen, ganz trocken.
Christopher sog scharf die Luft ein. „Und was sollen wir jetzt tun?“
„Sie wird sehr wahrscheinlich innerhalb der nächsten zwei Tage dahinscheiden. Ich kann sie bis dahin in einen schmerzlosen Schlaf versetzen, aus dem sie nicht mehr aufwacht. Das ist alles. Es tut mir leid.“
Doktor Smiths Stimme passte mit ihrem nüchternen Klang immer weniger zu der Nachricht, die er soeben verkündet hatte. Die Situation als solche wollte ich nicht begreifen. Elrica war eine Fremde, eine diebische dazu, aber nun zu hören, dass sie dem Tode geweiht war, ließ mich entsetzt den Atem anhalten. Christopher löste sich aus meinem Griff und ging mit wenigen Schritten zu den Eiskübeln, von denen er zwei zum Bett brachte. Mit bloßen Hände nahm er das Eis heraus, um es vorsichtig Stück für Stück auf der Decke zu verteilen.
„Was machen Sie denn da?“, fragte Doktor Smith brüskiert.
„Ich lasse sie nicht einfach sterben! Vielleicht ist die Entzündung ja gar nicht so schlimm und es ist das Fieber, das sie langsam umbringt. Also kühle ich sie ab. Währenddessen können Sie noch einmal scharf nachdenken, was Sie tun können!“
„Wollen Sie damit etwa meine Kompetenz anzweifeln?“
„Nein“, sagte Christopher, doch sein Ton machte deutlich, dass er genau das wollte, „ich will damit nur sagen, dass Ihnen bestimmt noch etwas einfällt, wenn Sie sich nur mehr Bedenkzeit geben.“
Er klammerte sich an einen Strohhalm, das wusste er sicher. Doch er machte unverwandt weiter, egal wie sehr der Doktor mit ihm sprach. Der zweite Kübel war leer, also holte Christopher die nächsten, wobei er geschickt ignorierte, was er sich von Doktor Smith anhören musste. Es sei sinnlos, Elrica stehe bereits mit einem Bein im Grab. Um sie zu retten, brauche es ein Wunder.
Wunder.
Ich erinnerte mich an eine Begebenheit vor einigen Jahren, bei der sich jemand vergiftet hatte und allein an seinem Fieber beinahe gestorben wäre. Aber er lebte, was nur einem Mann zu verdanken war.
„Schicken Sie einen Boten zur Schwebenden Festung“, sagte ich leise.
„Wieso?“, fragten Doktor Smith und Christopher gleichzeitig.
„Ich brauche Abt Spring hier. Er ist ein großer Heiler.“
Der Doktor schnaubte verächtlich, was ich schon erwartet hatte. Für ihn war es nichts als Quacksalberei, wenn die Ehrenwerten Brüder versuchten mittels Magie Krankheiten zu heilen. Bei Ungeübten war es auch nicht mehr, doch Abt Spring hatte schon einmal einen Vergifteten vor dem verfrühten Tode bewahrt. Das war mein Strohhalm in Bezug auf Elricas Leben.
„Majestät, bei allem gebührendem Respekt, glaubt Ihr wirklich-“
„Ja. Und nun gehen Sie, schicken Sie nach Abt Spring. Jede Minute ist kostbar. Mister Bloom und ich verweilen unterdessen an Elricas Seite.“
„Wie Ihr wünscht.“
Der Doktor verließ den Raum weitaus weniger in Eile, als ich es mir gewünscht hätte, doch es kam nur darauf an, dass er meinen Befehlen folgte. Christopher schaute ihm böse hinterher, ehe er wieder in das Eis griff, wovon seine Hände schon ganz rot waren und zitterten wie Espenlaub. Seine Willenskraft war das Maß, an dem ich mir vorzustellen versuchte, wie Elrica überhaupt hergekommen war in ihrem Zustand. Sie musste Christopher sehr mögen, wenn sie die Strapazen auf sich genommen hatte.
„Wird er helfen können? Dein Abt?“, fragte er, Hoffnung schwang in seiner Stimme mit.
Ich überlegte kurz, was ich sagen sollte, damit ich ihn nicht zu sehr verstimmte. Schlussendlich entschied ich mich für die Wahrheit.
„Ich weiß es nicht. Mit Verletzungen dieser Art hat man in der Schwebenden Festung wenig zu tun. Vielleicht kann er nichts ausrichten und wir müssen uns von ihr verabschieden. Aber ich traue Abt Spring“ – da war es auch egal, dass ich ihn nicht mochte – „er hat sich sämtlicher schwerer Krankheiten unter den Ehrenwerten Brüdern immer persönlich angenommen und sie waren alle sehr dankbar für seine kompetente Hilfe. Ich bete dafür, dass Gott Elrica noch nicht bei sich haben will und Spring helfen lässt.“
Es folgte eine lange Stille, die nur davon unterbrochen wurde, dass Christopher weiter seiner selbstauferlegten Aufgabe nachging. Doch irgendwann waren auch die letzten Bröckchen Eis verteilt, sodass ihm nur noch blieb, Elrica zuzudecken, damit die Kälte nicht zu schnell wieder verschwand. Er schaute zu ihr und atmete tief durch, während ich seine Hände griff. Sie waren kalt, liefen inzwischen schon blau an. Vorsichtig rieb ich seine Finger zwischen meinen Handflächen.
„Betest du für mich mit?“
„Warum machst du es nicht selbst?“, fragte ich verwirrt.
„Ich bin etwas aus der Übung“, sagte er leise, sein Blick schweifte ohne Fokus durch den Raum.
„Dann lass mich dir helfen. Mehr als beten können wir im Moment ohnehin nicht machen.“
Christopher seufzte. „Wir hätten schon viel früher etwas tun sollen…“
Ich überhörte seine Worte und stand auf, damit ich mein Gebet vorbereiten konnte. Es drehte sich hier um etwas Wichtiges, also würde ich alle nötigen Vorkehrungen treffen, damit das Gebet auch erhört wurde.

2 Kommentare:

  1. Ich sitzte hier und knabbere auf meinen Lippen, habe bei jedem zweiten Satz halb aufgeschrien und diesen Doktor angefleht,er möge doch bitte endlich was tun und nicht so einen Quatsch reden. Es müsse doch etwas geben, was er tun kann!

    Ja, so sehr fiebere ich hier mit! :D

    Ich bin ganz verzweifelt und hoffe einfach, dass du nicht gerade George R.R. Martin nacheiferst und liebgewonnene Charaktere qualvolle Tode sterben lässt. Ich werde jetzt an diesen Abt und seine Fähigkeiten glauben.

    Ich finde deinen Schreibstil so wunderbar und fesselnd! Ich bin gerade so gespannt.
    Meine Knie zittern. Ich muss unbedingt wissen, wie es weitergehen wird! D:

    Ganz großartig Liebes! Ich bin gespannt auf den nächsten Teil! :3

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    1. Dann habe ich mein Ziel ja erreicht. *harhar*

      Ich denke, um Elrica musst du dir erstmal keine allzu großen Sorgen machen, da ich zwar durchaus in der Lage bin, Charaktere zu töten, an die ich mich schon sehr gewöhnt habe, mit ihr aber noch so ein, zwei Sachen vorhabe, für die sie definitiv lebendig sein muss. Darüber hinaus garantiere ich für wenig. :P

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