Das Thema ist so nett, da konnte ich nur eine nette Geschichte dazu schreiben. /sarkasmus
Die Muskeln in Tobins Nacken und Schultern würden sich
nie wieder von der merkwürdigen Position erholen, in der sie nun schon seit
längerem verharren mussten. Seine Handgelenke und Knöchel waren wund von den
Handschellen und Fesseln, seine Arme taub davon, dass er sie über dem Kopf
halten musste. Er konnte in dieser Position nichts, nicht einmal schlafen,
obwohl er todmüde war und wahrscheinlich auch danach aussah.
So wollte Henry es ja, er wollte ihn demütigen, ihn
leiden lassen. Tobin wusste nur immer noch nicht, was der Grund dafür sein
konnte.
Er schaute im Dämmerlicht dieses Zimmers auf, das er so
gut kannte. Es war Henrys Schlafzimmer, er hatte es unzählige Male in seinem
Leben gesehen, fast zu oft für seinen Geschmack. Über das schwarze Himmelbett
hatte er sich früher lustig gemacht, weil es einfach nicht zu Henry passte.
Eine seiner Exfreundinnen hatte es haben wollen und nach der Trennung nicht
mitgenommen. Henry hatte es behalten, wie zum Trotz, weil es eine teure
Einzelanfertigung war. Nun war an einem der oberen Querbalken eine schwere
Kette angebracht, an der Tobins Handschellen befestigt waren. Da verging einem
das Lachen.
Als die Tür geöffnet wurde, wandte Tobin den Blick träge
in die Richtung. Zu schnellen Bewegungen war er gar nicht mehr fähig. Henry
betrat den Raum mit einem Gesichtsausdruck, aus dem man nichts lesen konnte.
Dabei war er sonst immer jemand, der sein Lächeln dazu einsetzte, die Stimmung
deutlich zu erhellen. Unerschütterlich optimistisch. Oder das war alles nur ein
Schauspiel, das diese dunkle Seite von ihm verbarg – seit bald 20 Jahren.
„Du kannst mich nicht ewig hier behalten, das weißt du.
Irgendwer wird mich vermissen und dann-“
„Dann werden sie mich fragen, deinen besten Freund, aber
ich weiß leider auch nicht, wo du bist. Das geht mir wirklich sehr an die
Nieren, verstehst du?“
Tobin öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Es
gab nichts, was er dazu noch sagen konnte, denn so kannte er seinen gutherzigen
Henry nicht. Dabei hatten sie die längste Zeit ihres Lebens fast Seite an Seite
verbracht, sie trafen sich bis heute jede Woche mehrfach, um miteinander zu
reden. Niemand würde jemals auf die Idee kommen, dass einer dem anderen etwas
antun könnte.
„Ich muss dich aber tatsächlich bald von hier
wegschaffen, sonst pisst du mir noch die ganze Auslegeware voll wie ein schlecht
erzogener Hund. Das wollen wir doch nicht.“
Henry kam auf Tobin zu, seine Daumen steckten dabei in
den Gürtelschlaufen seiner Bluejeans, zu denen er nicht mehr als ein weißes
T-Shirt trug. Er war schon immer jemand gewesen, der zuhause einen einfacheren
Kleidungsstil bevorzugte – und barfuß zu laufen, egal wie kalt der Boden war. Sein
Blick blieb hart.
„Warum tust du mir das hier an?“, fragte Tobin leise und
hasste den winselnden Ton in seiner Stimme, „So kenne ich dich gar nicht.“
„Vielleicht kennst du mich überhaupt nicht.“
Als Henry in die Hocke ging, um mit ihm auf Augenhöhe zu
sein, wich Tobin unwillkürlich zurück. Sein Herz hämmerte wild in seiner Brust.
„Du hast vorher noch nie Angst vor mir gehabt“, bemerkte
Henry trocken und berührte sanft Tobins Wange, „Aber es ist erfrischend, dass
du auch mehr als Desinteresse mir gegenüber empfindest.“
Etwas regte sich in Tobin, das sich von dieser Aussage
verletzt fühlte. Sie waren seit so vielen Jahren beste Freunde, dass es dreist
war, ihm Gleichgültigkeit vorzuwerfen. Er konnte sich auch nicht vorstellen,
wie Henry auf diesen Gedanken kam. Jedenfalls bis er dessen Lippen kurz auf
seinen spürte und allem Sinn oder Unsinn zum Trotz merkte, wie er errötete. Ja,
sie waren manchmal etwas enger als es für beste Freunde gewöhnlich sein sollte.
Ja, sie schliefen auch gelegentlich miteinander. Nur hörte diese Zweisamkeit
auf, sobald sie beide befriedigt waren, das war ihr Deal seit über einem
Jahrzehnt.
„Mach nicht so große Augen, das sollte dich nicht
überraschen.“
„Was…?“
„Wenn du einmal richtig zugehört hättest oder einmal
versucht hättest, auch mal meine Position zu verstehen.“
Eine starke Hand packte ihn am Kinn und zog seinen Kopf
so hoch, dass ein stechender Schmerz durch seinen Rücken fuhr. Tobin ächzte.
„Ich habe mir viel zu oft vorgestellt, wie es wäre, wenn
wir Henry und Tobin Thane wären. Oder Garner, je nachdem, worauf wir uns
einigen würden. Es wäre alles perfekt, wirklich alles.“
Die Hand ließ ihn los und Tobin sackte wieder in sich
zusammen, wimmernd. Der Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen, sein Unterkiefer
zitterte. „Das konnte doch alles niemals wahr werden“, brachte er hervor.
„Natürlich nicht“, Henry stand auf, ging zu seinem
Kleiderschrank und suchte darin nach etwas, „weil du mich ja immer nur dann
fickst, wenn es dir schlecht geht. Ich bin gut genug, wenn es mit deinen
Weibern nicht mehr läuft. Oder wenn du scharf genug auf mich bist. Ansonsten
bin ich Mobiliar.“
„Aber… ich dachte, für dich ist das auch nur-“
Mit einem lauten Knall warf Henry die Schranktür zurück
in ihr Schloss und unterbrach Tobin auf diese Weise.
„Nur? Nur?!“,
seine Stimme wurde lauter, als er zu Tobin zurück stapfte und dessen Kopf an
den Haaren hinaufzog. „Nur Spaß? Nur Sex? Es gibt nicht ‚nur Sex‘, es steckt
immer etwas dahinter, jedenfalls bei mir!“
Wieder ein Kuss, diesmal fest und verlangend. Tobin
erwiderte ihn, obwohl er es nicht wollte. Sein Körper kannte diese Art der
Berührung von Henry, er war beinahe konditioniert, darauf zu reagieren. Und
sonst gefiel es ihm ja auch, was er niemals zugeben würde, schließlich war er
nicht an Männern interessiert. Außer manchmal. An einem einzigen Mann.
Der Kuss fühlte sich nur nicht nach Henry an. Zu viel
Druck, zu viel Zunge, zu viel alles. Als Henry ihn löste, lehnte er seine Stirn
an Tobins und atmete tief durch.
„Weißt du, du hast nie gewusst, wie dunkel es wirklich in
mir ist. Du hast mich immer davon ferngehalten, aber du hast mich noch
zusätzlich gebrochen“, er nahm seine Hand aus den fremden Haaren, „es klingt
vielleicht wie ein Klischee, nein, das tut es sogar sicher. Aber wenn ich dich
nicht haben kann, dann soll dich niemand haben.“
Das Blut wich aus Tobins Gesicht, als er das hörte. Er
konnte sich nicht vorstellen, was Henry mit ihm machen würde. Er wollte es auch
gar nicht herausfinden.
Henry stand auf und sah mit einem matten Lächeln zu ihm
hinunter. „Wir hätten so gut zusammengepasst. Jetzt ist es zu spät.“
Wow! Da bekommt man richtig Gänsehaut!
AntwortenLöschenIch finds großartig, wie du hier die Stimmung eingefangen hast. Man kann sich sehr gut in Tobin hineinversetzen. Man spürt, dass er einerseits nicht begreifen kann, wie sein Freund zu sowas fähig sein kann und andererseits aber auch, dass er wirklich Angst bekommt. Man hat das Gefühl selbst da mit schweren Armen und Schmerzen zu hängen und an allem zu zweifeln.
Yes! Ich war mir nicht sicher, ob es mir gelingen würde (und ich habe mehrfach das Thema aus den Augen verloren), aber dann ist mir das ja doch noch gelungen. <3 <3
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