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[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

15.06.2018

[26 In The Night]

Hurrah, ein neuer Post. Ich hatte mir doch geschworen, ich würde jetzt endlich wieder regelmäßiger schreiben, aber ich kann mich nicht recht aufraffen. Deshalb verspreche ich an dieser Stelle auch nichts.



In The Night

Niemand ging in der Nacht hinaus.
Es war ein ungeschriebenes Gesetz, das niemals überschritten wurde, weil jeder genau wusste, was einen in der Dunkelheit erwartete.
Die Wesen.
Cynthia kannte alle Geschichten, konnte sie zum Großteil wiedergeben seit sie zwei Jahre alt war. Nur die Mutigsten wurden dazu auserwählt, in der Nacht Patrouillen zu laufen, um zu verhindern, dass die Wesen in Häuser eindrangen. Manchmal las man in den Zeitungen, dass es dennoch geschah, weil die Wächter einfach einen Moment zu spät dran waren. Der Ausgang war jedes Mal so blutig, dass Cynthia gar nicht zu genau darüber nachdenken mochte, was genau geschehen war.
Bei ihr Zuhause waren alle Sicherheitsvorkehrungen von Mutter getroffen worden und wurden allabendlich kontrolliert, ehe draußen die Sonne richtig untergegangen war. Die verriegelten Türen wurden von Talismanen geschützt, deren Schutz alles halbe Jahr von einem Priester erneuert wurde. Fenster wurden nachts nie mehr als einen Spalt geöffnet, weil es sonst als Einladung empfunden werden konnte.
Wie die Wesen aussahen, wusste Cynthia nicht, weil die Geschichten sich dazu unterschiedlich äußerten, aber sie hatte eine recht deutliche Vorstellung aus den verschiedenen Bildern bekommen. Groß und furchteinflößend mit gefletschten Zähnen und zotteligem Fell in undefinierbarer Farbe. Ihr Atem roch nach Blut und Tod, ihre Zähne waren unnatürlich groß. Mehr Raubtier als alles andere und dennoch mit genug Verstand, um deutlich gefährlicher zu sein, als ein Rudel Wölfe es jemals sein könnte. Sie waren menschlichen Ursprungs, das machte sie so gefährlich und unberechenbar. Es wurde gesagt, sie hätten etwas getan, um den Zorn der Götter auf sich zu ziehen und wären deswegen in ihre unsägliche Gestalt gezwungen wurden, die nur ein Leben unter ihresgleichen möglich machte.
Deshalb betete Cynthia, es möge ihr gelingen, den Wesen aus dem Weg zu gehen, bis sie zuhause ankam. Sie hatte den Abend und die Nacht eigentlich bei Sara bleiben wollen, sich jedoch wegen einer Kleinigkeit so sehr mit ihr in die Haare gekriegt, dass sie lieber in die Nacht verschwunden war, als noch eine Sekunde länger zu bleiben. Sie wusste nicht einmal mehr, was zu ihrem Zwist geführt hatte, doch nun war sie draußen in der Dunkelheit und erwartete hinter jedem Geräusch eines der Wesen, das sie sogleich zerfleischen würde. Ihr einziger Schutz war das Amulett, das sie stets bei sich trug, falls etwas Unvorhergesehenes sie dazu zwang, ein schützendes Gebäude zu verlassen. Eigentlich hatte sie an Brände gedacht und nicht an einen Streit über Nichtigkeiten.
Eiligen Schrittes ging sie die mondhelle Straße entlang und versuchte sich nicht selbst verrückt zu machen. Was sich als schwer erwies, wenn man überall Geräusche hörte, die man nicht recht zuordnen konnte. Etwas knackte hier, etwas raschelte da. Bestimmt nur Tiere, die im Schutz der Dunkelheit aus ihren Verstecken kamen, um Nahrung zu suchen. Vor den Wesen waren sie sicher, weil sie sich kaum als Beute lohnten, dafür waren sie einfach zu klein. Die Haare in Cynthias Nacken stellten sich auf, aber sie wusste, dass sie nicht mehr lange brauchte, um ihr Haus betreten zu können, ihr war ja beinahe, als könne sie es schon sehen.
„Wohin des Weges?“, fragte eine tiefe Stimme hinter ihr, zu der sie sich sogleich umdrehte.
„Ich-“, piepste sie, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken. Der Mann, der so plötzlich auf sich aufmerksam gemacht hatte, trug dunkle Kleidung, deren Farbe sie im spärlichen Mondlicht nicht genau ausmachen konnte. Viel interessanter war ohnehin, dass die Hose an mehreren Stellen zerrissen war und von allerlei Nieten verziert wurde. Die Ärmel seines Oberteils waren vielleicht ein wenig zu kurz. Er war groß und beinahe von schlacksiger Gestalt, was sie am meisten irritierte. Jemand wie er konnte doch kaum zu den Wächtern gehören, die einiges an körperlicher Stärke benötigten, um gegen die Wesen bestehen zu können.
„Ich habe dich doch nicht erschreckt, oder?“
„Ein wenig schon.“
Der Mann lächelte ihr aufmunternd zu und Cynthia fühlte wie ihr Puls schneller schlug. Er musste ein Wächter sein, ansonsten wäre er doch jetzt nicht draußen. Aber sie war auch keine Wächterin und trieb sich außerhalb eines Hauses herum.
„Du brauchst keine Angst haben, nicht vor mir und nicht vor der Nacht. Es ist alles in Ordnung.“
Eine unkonventionelle Auffassung der Situation, die die Regierung einfach nicht unter Kontrolle bekam, weil die Wesen, dumm wie sie waren, es irgendwie doch schafften, ihre Zahlen ständig zu vergrößern.
„Ich möchte nur nach Hause, das ist alles.“
Er schaute die Straße entlang, dann wieder zu Cynthia. „Soll ich dich begleiten? In gebührlichen Abstand, versteht sich ja von selbst. Dann musst du dich nicht mehr fürchten.“
„Sind Sie ein Wächter?“, sprudelte es da aus ihr hinaus, während sie vorsichtig nach ihrem Talisman tastete, der an einer Kette um ihren Hals hing.
Sein Gesicht wurde ernster. „Nein. Die brauchst du auch nicht, solange ich in deiner Nähe bin.“
Sie guckte den Mann zweifelnd an, weil das kaum sein Ernst sein konnte. Doch als sie ihre Optionen im Kopf durchging, erschien es ihr tatsächlich sicherer, jemanden bei sich zu haben, selbst wenn sie ihn nicht kannte. Dennoch blieb eine Frage offen.
„Wie können Sie sich so sicher sein, dass uns nichts geschehen wird?“
Ein sanftes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Weil es die Wesen nicht so gibt, wie die meisten denken.“
Cynthia machte einen Schritt von ihm Weg. „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?!“
Wer sollte sich denn die schrecklichen Geschichten ausdenken? Und aus welchem Grund? Dieser Mann konnte sie nur anlügen, also sollte sie ohne ihn nach Hause finden! Also ging sie forschen Schrittes weiter, es war ja nicht mehr weit.
„Mädchen, warte doch!“, sagte er ruhig und stand plötzlich schon wieder neben ihr. „Es gibt sie ja, sie sind nur anders, als man dich – euch alle – glauben lässt.“
Sie blieb ruckartig stehen und stemmte die Hände in die Hüften. „Und wie sollen sie sonst sein?“, fragte sie mit zittriger Stimme, die ihre Gefühle verriet.
„Sieh mich an“, antwortete er leise, während er sich zu ihrem Ohr vorbeugte, „ich bin einer der Menschen der Nacht.“

2 Kommentare:

  1. Oh Mann! Du kannst doch an so einer Stelle nicht einfach aufhören! D:

    Jetzt will ich unbedingt wissen, wie es weitergeht! :D

    Die Spannung hast du jedenfalls toll aufgebaut. Ich hab eine Gänsehaut. :3

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    1. Muahahaha! >D

      Dieser Idee ist bestimmt fast zehn Jahre alt und wurde immer wieder in meinem Kopf hin und her geschoben, bis ich sie endlich zu Papier bringen konnte.
      Vielleicht geht es ja mal weiter. <3

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