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[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

30.09.2019

[37 Haze]

Ich habe zum ersten Mal für diese Challenge meine liebe Rhapsodia benutzt. Sie nach einiger Zeit einmal wieder zu schreiben, war total merkwürdig und zur gleichen Zeit richtig gut.



Es war kalt.
Rhapsodia schlang die Arme ein wenig fester um sich, doch diese Art der Kälte ging ihr ohnehin nicht so sehr durch Mark und Bein wie die im Niemandsland. In der Nähe von Scurius hatte sie sich einfach an Kälte gewöhnt.
Eine allzu bekannte Sehnsucht zog durch ihren Körper, wie immer, wenn sie an Scurius dachte. Ihren Mentor, ihren besten Freund.
Manchmal wollte sie umdrehen und zurückkehren. Sie würde vor El im Schmutz kriechen, damit er sie nicht bestrafte, würde machen, was immer er wollte. Sie würde sich selbst vergessen und nur das sein, was er ihr zuflüsterte. Alles würde sie tun, um ihren besten Freund wiederzusehen.
Doch dann horchte sie in sich hinein zu dieser Stimme, die ihr den Weg aus der Stadt gewiesen hatte, um sie auf den Pfad ihrer Aufgabe zu bringen. Sie würde die Stadt niemals wieder betreten, das hatte sie sich geschworen.
Und so musste sie sich mit der Erinnerung an Scurius zufriedengeben, während sie sich überlegte, wo sie heute die Nacht verbringen würde. Es war schon eine Weile her, dass sie bei den Weisen Frauen untergekommen war. Bei Kasia, die zu viel und zu wenig gewusst hatte. Eine verwirrende Frau, nur eine Novizin unter vielen, und die einzige, die wirklich in Erinnerung geblieben war. Rhapsodia glaubte in ihr etwas Bekanntes gefunden zu haben, ohne direkt mit dem Finger darauf deuten zu können. Und deshalb war sie schnellstmöglich verschwunden, nachdem sie noch eine letzte Nachricht für Scurius dort hinterlassen hatte, denn ihr war klar, dass er ihr irgendwann folgen würde.
Dennoch hatte sie nicht das Gefühl, ihn je wiedersehen zu können.
Ihr Blick ging hinauf zu den Baumwipfeln in diesem Wald, der sich als viel größer herausstellte, als sie erwartet hatte. Alles wirkte grau im schummrigen Licht, das durch den Nebel auf dem Boden brach. Nebel. Wasser. Scurius.
Sie schüttelte den Gedanken ab und setzte ihren Weg fort.
Dieser Wald war zu kalt, dafür dass Sommer war. Zu still, dafür dass er voller Tiere sein sollte. Sie versuchte immer wieder ihn zu fühlen, doch es gelang ihr nicht. Als hätte jemand alles aus ihm gezogen, das Leben widerspiegelte. Nur gelegentlich sangen einzelne Vögel verzweifelte Lieder, die sie so noch nie gehört hatte.
Ein Bild flackerte durch ihre Erinnerung. Eine kleine Stadt inmitten eines Waldes zwischen zwei namensgebenden Seen. Alles war hell, alles war freundlich. Die Stimmen der Bewohner mischten sich mit den Geräuschen des Waldes und ergaben auf diese Weise ein Lied, zu dem Rhapsodia oft eingeschlafen war.
Zweiseen lag hinter ihr, sehr weit. Auch dorthin würde sie nicht zurückkehren, würde nie wieder ihre Eltern und Brüder sehen.
Nein!
Sie schaute sich um. Irgendetwas hier sorgte dafür, dass ihre Gedanken in die Vergangenheit statt in die Zukunft gerichtet waren. Als wolle die Leere dieses Waldes mit ihren Erinnerungen gefüllt werden, den guten, damit sie sich nach ihnen verzehrte und den Willen verlor, einfach weiterzugehen.
Du musst dagegen kämpfen.
Die Stimme in ihr war leise, seit sie die Stadt verlassen hatte, aber sie wurde wieder stärker.
„Ich weiß nicht wie.“
Ich bin bei dir, also werden wir es schaffen.
So würde es sein, denn sie war nicht allein. Die Stimme gehörte zu einer Macht, die ihre bei Weitem übersteigen konnte, jedoch geschwächt in ihr ihr Dasein fristen musste. Nun, nicht direkt in ihr, weil ihre eigene Kraft diese Stimme sofort schlucken würde.
„Ist das hier wirklich ein Wald?“, fragte sie, um sich von einer unangenehmen Frage abzulenken, die in ihr aufsteigen wollte.
Nein. Soweit ich das sehen kann, ist es sehr viel mehr und weitaus weniger als das.
„Das ist keine Antwort.“
Es ist schwer diesen Ort einzuschätzen. Er ist vor allem pure Magie.
Daher konnte diese Kälte stammen. Auch das Niemandsland war ein Ort gebündelter Magie und bediente sich deshalb der Wünsche und Ängste derer, die es durchquerten. Der Göttin sei Dank waren ihr hier noch keine Halluzinationen untergekommen. Glaubte Rhapsodia zumindest.
„Wie weit kannst du dich eigentlich von mir entfernen?“, fragte sie leise, als sie an einer Weggabelung ankam. Rechts oder links spielte im Endeffekt keine Rolle für sie, denn alle Wege führten an das Ziel, das sie noch nicht kannte.
Gerade gar nicht.
„Du konntest doch diesen Wald überblicken?“
Ich kann ihn nur fühlen. Ich bin immer bei dir, das habe ich dir gesagt, als-
Ein Geräusch in den Büschen hinter ihnen ließ die Stimme verstummen. Rhapsodia drehte sich um und versuchte zu sehen, was dafür verantwortlich war. Ein Tier bestimmt.
Sie drehte sich wieder um und nahm den linken Weg. Einer war schließlich so gut wie der andere und verharren um nachzudenken würde ihr nicht helfen. Bald musste sie eine Rast einlegen, doch bis dahin wollte sie sich ein Stück von der Gabelung entfernen. Diese Entscheidung für den linken Weg sollte nicht bereut werden.
Das Gefühl, dass an diesem Wald mehr nicht stimmte, als dass er reine Magie war, machte es sich in Rhapsodias Magengrube bequem. Sie lauschte, ob sie mehr als ihre eigenen Schritte hören konnte. Irgendwo rauschte Wasser, also musste ein Fluss in der Nähe sein. Das Rascheln in den Bäumen sprach für Wind oder doch für Leben.
Etwas ist hier.
Rhapsodia konnte nicht ergründen, was die Stimme damit meinte. Sie fühlte weder eine Präsenz, noch hörte oder sah sie etwas, das nicht typischerweise in einen Wald gehörte. Auf eine Weise war das frustrierend. In der Stadt hatte sie sich so sehr auf ihre magisch gestärkten Sinne verlassen können und hier gelang es ihr nicht mehr. Sie war wohl doch nicht so mächtig, wie man ihr erklärt hatte.
Sie blieb wieder stehen und atmete tief durch.
„Zeig dich“, sagte sie in den Wald hinein. „Wenn du mich schon verfolgst“ – wurde sie verfolgt? – „dann kannst du dich auch zeigen.“
Hinter ihr bewegte sich etwas im Gebüsch und sie widerstand dem Drang, sich sofort dorthin umzudrehen. Mit geschlossenen Augen schickte sie ihre Sinne in den Wald hinein, wartete auf ein Echo, ein Ziehen, einen Funken, irgendetwas. Scurius hatte sie immer gespürt, als wäre, wo er stand, ein Loch, das nur Böses und Kälte ausstrahlte. So sehr sie ihn mochte, so viel Angst hatte sie vor seiner Aura. Aber hier ging es nicht um Scurius.
Noch als sie sanfte Schritte vernahm, konnte sie nichts fühlen außer der Kälte. Mit einem Seufzen schaute sie, wer sich vor ihr versteckt hatte.
Ein Hund?
Nein, ein Wolf.
Rhapsodia öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Der Wolf kam näher. Er war groß, viel größer als sie erwarten würde. Seine dunklen Augen blieben auf ihre gerichtet, als er begann um sie zu kreisen.
„Du bist ein Formwandler, nicht wahr?“
Er blieb stehen.
„Ansonsten würdest du mich kaum so gut verstehen können.“
Er nickte, was viel zu sehr nach Mensch aussah.
Rhapsodia machte einige Schritte auf ihn zu und ging schließlich in die Knie. So war sie ein wenig kleiner als der Wolf und hoffte, das könne ihn dazu bringen, sich ihr völlig zu offenbaren.
„Wenn das hier dein Gebiet ist, tut es mir wirklich leid, eingedrungen zu sein. Ich verlasse diesen Wald so schnell es geht.“
Er sah sie noch einen Moment an, dann drehte er sich mit einem leisen Knurren von ihr weg und verschwand wieder in den Büschen.
Was sollte das?
„Vielleicht wollte er nur schauen?“
Sie hatte sich gerade wieder hingestellt, als ein großer Mann mit dunklen Augen von dort kam, wohin der Wolf verschwunden war. An der Art, wie er sie musterte, erkannte sie, dass er der Formwandler war.
„Hallo“, sagte Rhapsodia und strich sich betont langsam eine Falte aus ihrem Rock.
Wieder nur ein Nicken als Antwort.
Sie seufzte leise. „Es ist in Ordnung, nicht mit mir reden zu wollen. Ich möchte nur in Ruhe diesen Wald durchqueren, das habe ich dir bereits gesagt.“
„Du redest mit dir selbst“, stellte er fest.
Es dauerte einen Moment, ehe Rhapsodia begriff, was er damit meinte. „Ja, das mache ich.“ Es war leichter, das zuzugeben, als von einer Stimme zu reden, die nur sie hörte.
„Ich kann dich auf deinem Weg aus dem Wald beschützen. Es wirkt vielleicht nicht so, aber es kann hier gefährlich werden, wenn man alleine ist.“
„Und deswegen soll ich einem Fremden trauen?“
„Hätte ich dir etwas antun wollen, hätte ich es längst getan.“
Es könnte eine Falle sein.
Das glaubte Rhapsodia nicht. Mit langsamen Schritten ging sie auf den Formwandler zu, der nicht eine Sekunde die Augen von ihr nahm. Er traute ihr wohl auch nicht recht über den Weg.
„Mein Name ist Rhapsodia“, stellte sie sich vor und reichte ihm die Hand, „ich werde dein Angebot annehmen, um aus diesem Wald finden zu können. Ich kann dir nichts als Gegenleistung anbieten.“
Kurz machte er nichts. Dann griff er sanft ihre Hand. „Thomadin. Ich brauche keine Gegenleistung.“

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