Empfohlener Beitrag

[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

13.10.2017

[20 Lies]

Ich habe endlich die Energie gefunden, wenigstens die nächsten drei Beiträge zur Challenge abzutippen. Das heißt, es sind nur noch zwei fertiggestellte in dem Collegeblock übrig!
Es war ziemlich einfach, sich ein "Universum" auszusuchen, in dem viel über Lügen passiert. Schwieriger war es, die Szene nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Ich mag die Charaktere einfach zu gerne.



Wir saßen uns schon eine Weile schweigend gegenüber, während draußen rasch Vorbereitungen getroffen wurden. Einige Räume lag Elrica, die noch lange nicht genesen war und mir dennoch bereits gesagt hatte, sie wolle mitkommen. Wir könnten sie bestimmt brauchen, das war mir klar. Christopher stellte sich jedoch quer, sobald ich das auch nur andeutete.
Ich blätterte durch Unterlagen, die eine schnellstmögliche Bearbeitung erforderten, ohne mich darauf konzentrieren zu können. Mein Blick ging zu Christopher, der in Gedanken war.
„Du liebst sie“, kam mir unwillkürlich über die Lippen.
Er guckte mich verwirrt an. „Elrica?“
„Wen sonst?“
Seinem Kopfschütteln fehlte es an allem, was mich vom Gegenteil meiner Aussage überzeugen konnte.
„Ich bin ja mit zwei Brüdern aufgewachsen, deshalb ist sie für mich wie die kleine Schwester, die ich nie hatte. Das ist alles.“
„Lügner.“
Ich beugte mich über den kleinen Tisch und legte meine Hand auf seine Wange. Er rührte sich nicht.
Ich bemerkte nicht zum ersten Mal, dass seine Augen denen von Alec in mehr als ihrer Farbe glichen. Was ich bei einem der jüngeren Gebrüder Pierce lesen konnte, war auch beim anderen für mich ganz deutlich zu erkennen. Sobald Christopher von Elrica sprach, nahmen seine Augen ein allzu bekanntes Funkeln an, das ich sonst von meinen geheimen Treffen mit seinem Bruder kannte.
„Du magst in mir etwas wie eine kleine Schwester sehen, was natürlich vollkommen unangebracht ist, da ich deine Königin bin und so weiter. Aber du belügst dich, was Elrica betrifft doch selbst.“
„Sie ist für mich nicht wichtiger als meine Familie.“
Langsam fuhr ich mit dem Daumen über seinen Wangenknochen. Die Geste kannte Alec gut von mir, doch ich hatte sie noch nie bei jemand anderem verwendet.
„Sie kann aber nur an deiner Seite dazu gehören.“
Binnen Sekundenbruchteilen verfinsterte sich sein Gesicht, wovon ich mich nicht bedroht fühlte. Im Gegenteil glaubte ich, ihn in einen Schutzmodus gebracht zu haben, in dem er sich vor mir und meinen weiteren Mutmaßungen verschloss. Dort hielt er auch alle anderen Geheimnisse versteckt, die ich immer unter der Oberfläche erahnen konnte.
„Angelique“, sagte er, während er vorsichtig mein Handgelenk umfasste, „warum reden wir jetzt darüber?“
„Weil ich denke, es ginge dir besser, sagtest du Elrica bloß wie du fühlst. Es ist egal, wie ihre Antwort ausfällt: Du gewinnst Klarheit. Ich sehe dir an, wie sehr du ihretwegen leidest.“
„Doch nur, weil es ein schweres Los ist, ein Bein zu verlieren.“
Es wäre mir ein Leichtes gewesen, ihn zu erinnern, wie schnell er vor kurzer Zeit an ihre Seite gesprungen war, kaum hatte er sie im Krankenbett erblickt. Doch ich glaubte nicht, dass er für meine Worte empfänglich wäre.
Deshalb schaute ich ihn nur so neutral wie möglich an und wartete darauf, dass er meine Hand von seiner Wange zog. Nichts dergleichen geschah. Eine Situation wie diese hatte ich bisher nicht einmal mit Foxy erlebt, der mir in der Schwebenden Festung der liebste Mensch gewesen war. Nur Alec war ich ähnlich nahegekommen, nein, viel näher natürlich. Zwischen Christopher und mir mochte der Tisch für Abstand sorgen, aber es war dennoch ungehörig von mir, ihn auf so liebevolle Art zu berühren.
Ich wurde in meinem Gedankengang von einem Geräusch gestört, das ich nicht zuordnen konnte, weil ich immer noch zu sehr mit Christopher beschäftigt war. Es war die Tür gewesen, die nun offenstand, sodass Winterhoff mit zwei Wachen eintreten konnte.
„Majestät!“, sagte er, blieb dann einen Augenblick verdattert stehen, was mich dazu brachte, den Kopf zu ihm zu drehen.
Meine Hand rutschte von Christophers Wange und fiel auf den Tisch, ohne dass er das Gelenk losließ.
„Was gibt es?“, fragte ich einigermaßen gefasst.
„Die Vorbereitungen schreiten gut voran. Nur Euer… Gast möchte sich nicht recht ausruhen. Die Dame verlangt sogar mit Euch zu sprechen!“
Winterhoffs Empörung war verständlich, schließlich war Elrica nicht nur eine Bäuerin, sondern auch auf einem fraglichen Weg in den Palast eingedrungen. Ob das wohl der einzige Grund war? Immerhin hatte er seine Königin gerade in einem recht innigen Moment mit jenem Wachmann erwischt, der ansonsten jede freie Minute an Elricas Seite verbrachte und eindeutig eine Verbindung zu ihr hatte, die nicht familiärer Natur war.
Die Wachmänner schauten Christopher erwartungsvoll an, doch er wandte seinen Blick nicht von mir, wessen ich mir immer bewusster wurde.
„Ich habe Miss Johnson versprochen, heute mit ihr zu reden. Nun ist der Tag zu einem guten Stück vorüber, also ist ihre Ungeduld durchaus verständlich.“
„Das mag sein, Majestät, dennoch geziemt es sich kaum, dass diese Miss Johnson Eure Gastfreundschaft ausnutzt, um Dinge von uns zu verlangen. Sie hält sich nicht hier auf, weil sie eine Eurer engsten Freundinnen ist.“
Die Kritik daran, dass ich eine Fremde für einen einfachen Wachmann im Palast duldete, war überdeutlich. Obwohl die Ursache, die Winterhoff vermuten musste, seit er den Raum gerade betreten hatte, verkehrt war.
„Ist es mir etwa nicht erlaubt, Verwundete hier genesen zu lassen, wenn ihnen schlimmes Unrecht widerfahren ist?“
Meine wahre Beziehung zu Christopher, dessen Hand ich immer noch unverändert fühlte, musste hierbei keine Rolle spielen. Jetzt würde sich ohnehin das Gerücht verbreiten, er – oder eher Geoffrey Bloom – wäre mein Liebhaber, genau wie ich es einst vorausgesagt hatte. Es war jedoch allein meine Schuld, dass dieser Eindruck entstanden war, da würde auch leugnen nicht helfen. Ich konnte es schon flüstern hören. Das Festungskind war seinem Gesinde gefallen statt einem Prinzen – und ganz falsch war das ja auch nicht.
„Ich zweifle nicht Eure Entscheidung an, sondern ihre Impertinenz“, erklärte Winterhoff im Brustton der Überzeugung.
„Lassen Sie das meine Sorge sein.“
Ich stand auf, was mir Christopher gleichtat. Dabei ließ er meinen Arm letztlich doch noch los, zum Amüsement seiner Kollegen, die ein Grinsen kaum noch verbergen konnten.
„Wollen Sie noch etwas, Mister Winterhoff?“
„Wir die junge Dame mitkommen?“
Aus seiner Stimme sprach nicht direkt Ekel, aber doch eine gewisse Abneigung, die mir mein unnatürliches Verhältnis zu den einfacheren Schichten des Empires erst wieder bewusstmachte. Und obwohl ich Winterhoff in dieser Einschätzung, so es denn eine war, nicht zustimmen konnte, konnte ich nicht umhin, Elrica auch lieber sicher im Palast zu wissen. Es wäre besser für ihren Heilungsprozess und würde den Aufwand des Vorhabens deutlich reduzieren. Sie würde nur niemals zurückbleiben wollen. Außerdem wusste sie so gut wie ich, dass niemand wusste, wo sich die Verbrecher aufhielten, die ihr das angetan hatten. Niemand außer ihr. Deshalb hatte ich sie schnell in den Plan eingebunden, den ich ausgearbeitet, jedoch noch nicht in Gänze mit meinen Beratern geteilt hatte.
„iss Johnson ist von größter Wichtigkeit für ein Gelingen des Plans. Deshalb wird Doktor Smith mitkommen, um sie im Auge behalten zu können.“
Winterhoff verzog das Gesicht. Zwischen ihm und meinem Leibarzt herrschten Animositäten, die auf einem Ereignis von vor zwei Jahren fußen sollten, über das ich noch nicht mehr in Erfahrung gebracht hatte.
„Gewiss. Wer soll an Eurer Stelle den Oberbefehl übernehmen? Ich habe mir die Freiheit erlaubt, Euch eine Liste fähiger Kandidaten anzufertigen und-“
Ich schüttelte mit dem Kopf, was ihn zum Schweigen brachte.
„Niemand, da ich mitkomme.“
„Aber Majestät-“
„Sie können es mir nicht ausreden! Ich möchte persönlich dabei sein, wenn die Verbrecher, die nach Stille trachten, gefasst werden!“
Es war unerheblich, dass diese Männer nicht den Hauch einer Chance hatten, den Stein jemals in ihre gierigen Finger zu kriegen, weil er sicherer behütet war als ich. Sie blieben Entführer, Erpresser, Diebe und Schläger. Es gab bestimmt mehr Leute als nur Elrica, denen sie so schreckliches Leid zugefügt hatten. Das musste aufhören.
„Wir benötigen überdies die Hilfe eines Ehrenwerten Bruders, der in Schutzzaubern geübt ist. Vielleicht Bruder Zacharias oder Bruder David. Senden Sie ein entsprechendes Gesuch an Abt Spring.“
In meiner Zeit in der Schwebenden Festung hatte ich gelernt, dass in solchen Fällen eher der Abt persönlich kam, als einen seiner Brüder einer unbestimmten Gefahr auszusetzen.
„Dann werde ich veranlassen, die Planung um Doktor Smith, einen Ehrenwerten Bruder, Miss Johnson, Mister Bloom“ – wie er den Namen betonte, machte mich stutzig – „sowie Eure Majestät erweitern zu lassen.“
„Sehr wohl. Wenn dies alles ist, sind Sie hiermit entlassen.“
Winterhoff verneigte sich höflich, ehe er den Raum mit seinem Gefolge verließ und die Tür wieder schloss.
„Elrica sollte hierbleiben“, sagte Christopher.
„Dann bring du sie dazu.“
Er warf mir einen Blick zu, der mir wohl sagen sollte, dass das nicht möglich war.
„Kannst nicht wenigstens du in Sicherheit bleiben? Ich weiß, du hast Winterhoff gerade das Gegenteil gesagt, aber mir wäre wohler, dich hier zu wissen. Und Alec sicher auch.“
Es war ungerecht von Christopher, in diesem Moment den Namen seines Bruders zu erwähnen, wo mein Entschluss doch bereits feststand. Ich musste die Mauern dieses Plastes einfach verlassen, war ich doch schon viel zu lange in ihnen gefangen gewesen. Ich hatte nicht einmal die üblichen Rundreisen durch das Königreich gemacht, da meine Berater es nicht als weise erachteten, eine so junge Regentin bereits durch das Land flanieren zu lassen. Bisher hatte ich ihnen da auch immer zugestimmt, aber der Kontakt zu Elrica war in dieser Beziehung lehrreich. Das Volk kannte mich kaum, wie sollte es mich da jemals akzeptieren?
„Ich stürme ja keine Räuberhöhle. Es sind genug Leute um mich herum, die ein Auge auf meine Sicherheit werfen. Unter ihnen mein bester Mann. Es gibt keinen Grund, Angst um mich zu haben.“
Mein Onkel hätte niemals mit Widerworten rechnen müssen, hätte er sich entschieden, auf einer wichtigen Mission den Palast zu verlassen, dessen war ich mir sicher. Es könnte höchstens sein, dass ich für meine Emanzipation im Kleinen den verkehrten Anlass gewählt hatte, einen zu unwichtigen. Aber, nein, diese Männer wollten einen der wichtigsten Gegenstände des Empires in die Hände kriegen, womit sie Feinde der Krone waren. Und die Krone saß auf meinem Haupt, weshalb es mein Recht war, mich damit persönlich auseinanderzusetzen.
Christopher schaute mich einen Moment an, dann sagte er: „Der Eindruck, wir wären ein Paar, lässt sich bestimmt nicht mehr revidieren, oder?“
„Na ja“, ich seufzte, „du bist auch ein Pierce, also bleibt es wenigstens in der Familie.“
„Es macht dir nichts aus?“
„Meine Sorge gilt da eher dem Ruf eines gewissen Geoffrey Bloom, der ‚andauernd bei der Kranken‘ zu finden ist, wie eines meiner Mädchen sagte. Es handelt sich dabei wohl um seine Geliebte. Man könnte ihn am Ende noch für einen Playboy halten.“
„Und Geoffrey möchte nicht den Ruf Ihrer Majestät aufs Spiel setzen, der nur halb so schlecht ist, wie Sie denkt.“
Ich setzte mich zurück an den Tisch und ordnete die Unterlagen darauf, bis sie zwei Stapel ergaben. Einer war für Eiliges, der anderes für Sachen, die etwas mehr Zeit hatten.
„Mein Volk weiß doch gar nicht, wer ich bin. Was habe ich denn bisher schon bewerkstelligt? Für sie muss ich immer noch das kleine Festungskind sein, das niemals hätte Königin werden sollen. Einige sollen sogar bereits einen Ersatz für mich über meinen Stammbaum ausfindig gemacht haben.“
Es handelte sich dabei wohl um einen entfernten Verwandten, dessen Zweig der Familie vor etwa einem Jahrhundert in Ungnade gefallen war damit eigentlich den Anspruch auf die Krone verwirkt hatte. Jemand wie er war einigen meiner Untertanen wohl lieber als eine Herrscherin, die sich bisher zu selten gegen ihre Berater durchgesetzt hatte.
„Du bist die Königin. Es ist ganz normal, dass du dich erst daran gewöhnen musst.“
„Und wie lange? Welche Zeitspanne ist angebracht? Die Geduld eines Volkes währt nicht ewig. Der französische Hof beleidigt mich immer wieder und ich handele nicht, weil ich Angst habe, ich könne damit viel Leid verursachen. Mir wird nachgesagt, ich habe einen Hang zur Magie, der sich nicht für einen Herrscher geziemt, weil ich unter Ehrenwerten Brüdern aufgewachsen bin. Man munkelt, ich führe das Empire nach ihrem Willen, als habe Abt Spring mich als seine Marionette auf den Thron gesetzt. Und wieso? Weil ich in meinen ersten Tagen eine junge Hexe in die Schwebende Festung verbannte, statt sie hängen zu lassen.“
Christopher stellte sich hinter mich und rieb mir sanft über die Schultern. „Dann zeigst du ihnen eben ab genau8 heute, dass du die einzige, die wahre Königin dieses Landes bist. Und ich möchte verdammt sein, wenn ich nicht erlebe, wie aus dir die beste Königin seit langem wird.“
„Ich werde mich nicht mit meinem Onkel messen können.“
„Nun, er war gewiss auch keine Königin.“
Trotz des ernsten Verlaufes unseres Gesprächs musste ich kurz auflachen.
„So gefällt mir das schon viel besser“, sagte Christopher und setzt sich zurück auf seinen Platz mir gegenüber. Auf seinem Gesicht lag ein sanftes Lächeln, das dem von Alec auf eine bestimmte Weise ähnlich war, obwohl es vollkommen anders aussah. Es erreichte etwas tief in mir.
„Du musst also mitkommen, damit wir alle sehen können, aus welchem harten Holz unser kleines Festungskind wirklich geschnitzt ist, nicht wahr?“
„Das gerade war Hoheitsbeleidigung.“
„Freilich war es das, aber sonst habe ich ja gar keinen Spaß mit dir!“
Ich seufzte erneut, diesmal theatralisch.
„Majestät ist auch nicht dazu da, das Gesinde zu bespaßen. Vielmehr ist es Aufgabe des Gesindes, Majestät zu erheitern.“
Er grinste mich herausfordernd an. „So?“
„Ja. Aber wir haben jetzt genug über meine Unzulänglichkeiten und ähnliches gesprochen. Ich sollte jetzt wohl Elrica einen Besuch abstatten, um sie ein wenig milde zu stimmen.“
Ob ich damit Erfolg haben würde, musste sich zeigen.

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