Nito war merkwürdig luzid, obwohl er merkte, dass sein
Geist noch nicht wieder im Hier und Jetzt angekommen war. Der Sturm war bereits
vor Stunden weitergezogen und die Sonne inzwischen nach einer recht ruhigen
Nacht aufgegangen.
Kasia hatte fast die ganze Zeit an seiner Seite ausgeharrt,
wobei sie sich nicht mehr als ein kurzes Nickerchen gegönnt hatte. Ihre Augen
waren vor Müdigkeit halb geschlossen und doch weigerte sie sich, in den
dringend benötigten Schlaf zu sinken. Langsam bewegte Nito seine Hand, die sich
fremd anfühlte, und legte sie auf Kasias Arm. Ein sanftes Lächeln stahl sich
auf ihr Gesicht.
„Überanstrengt Euch nicht“, sagte sie leise, „Ihr wart
uns eine große Hilfe, doch der Rest des Zaubers, der Euch an die Stadt band,
ist noch nicht verflogen.“
Nitos Augen wurden groß und er wollte fragen, woher sie
so viel über ich wusste. Nur seine Stimme machte da nicht mit. Ihm kam ein
kurzes Krächzen über die Lippen, das Kasia veranlasst, Tee in einen bislang
unberührten Becher zu füllen. Er schüttelte den Kopf so gut es ging, weil er
nichts trinken wollte. Er wollte reden.
„Ihr müsst zu Kräften kommen, da ist Tee ein guter
Anfang“, rügte sie ihn ernst. „Wie sonst wollt Ihr jemals von hier wegkommen?“
Nito weigerte sich zu trinken, als sie ihm den Becher an
die Lippen hielt. Kasia schaute ihn zerknirscht an, stellte den Becher jedoch
zurück auf den kleinen Tisch, den sie extra dafür vor so vielen Stunden
herangeholt hatte.
Nito schloss frustriert die Augen. Er war bereits in
einer Stadt eingeschlossen gewesen und in einem Käfig, doch nie zuvor in seinem
eigenen Körper. Für seinen Geschmack hatte er lang genug so ausgeharrt. Hier
verlor er nur Zeit, die er besser damit verbringen konnte, nach ihr zu suchen. Irgendjemand erinnerte
sich bestimmt an sie und auch daran,
wohin ihr Weg sie geführt hatte. Es galt dabei, ihren Vorsprung von mehr als einem Jahr aufzuholen, was für Nito
das einzige Problem darstellte. So hatte er gedacht. Er hatte nicht ahnen
können, was die Folgen waren, wenn er die Stadt verfrüht verließ.
Während er seine Gedanken wandern ließ, ertappte er sich
dabei eine Melodie zu summen. Nicht etwa, weil sie ihm plötzlich eingefallen
war. Die einzelnen Noten ergaben ein Lied, das ihm seit frühester Jugend
bekannt war. Es beruhigte und stärkte, da ihm Magie zugrunde lag. Und das
Summen, dem er sich angeschlossen hatte, kam von Kasia. Verwirrt schaute er sie
an.
„Woher…“, fragte er, ehe ihm die Stimme wieder wegblieb.
Kasia summte weiter, ohne von ihrer Stickarbeit
aufzuschauen. Nur ein verschmitztes Lächeln deutete an, dass sie Nito gehört
hatte, der nun gar nicht mehr wusste, was er von ihr halten sollte.
Dieses Lied hätte in Vergessenheit geraten sei müssen und
wenn nicht, sollte niemand es zum Heilen nutzen, weil er so unnötig preisgab
über Magie gebieten zu können. Kasia musste Nito sehr vertrauen, wenn sie
dieses Risiko einging.
„Wer… bistu?“, kam undeutlich aus seinem Mund.
„Nur eine Novizin. Mehr nicht.“
Dass das gelogen war, erkannte Nito aus mehr als nur
einer vagen Ahnung. Kasia rückte ihren Stuhl näher heran und beugte sich vor,
sodass sie leise mit Nito reden konnte.
„Jedenfalls sollte ich nicht mehr sein, aber ich stamme von
den gleichen Wesen ab wie du oder das Mädchen, nach dem du suchst. Ich bin
nicht annähernd so mächtig wie ihr beiden, doch die himmlische Mutter hat mich
damit beauftragt, euch zu helfen.“
Nito runzelte die Stirn, als Kasia sich wieder gerade
hinsetzte.
„Wollt Ihr nicht doch etwas Tee?“, fragte sie mit
besorgter Stimme, „Er sollte bei Eurer Genesung helfen.“
Als keine Widerworte kamen, hielt sie ihm den Becher
erneut gegen die Lippen. Diesmal trank Nito.
Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie subtil du die Themen einfliessen lässt, ohne sie zu vernächlässigen oder ihnen zu wenig Bedeutung beizumessen. Ich muss manchmal nachschauen, was eigentlich noch mal das Thema war, weil ich nach wenigen Sätzen schon so in der Geschichte drin bin, dass ich es bis dahin vollkommen vergessen habe.
AntwortenLöschenAuch beeindrucken finde ich es, wie du den Leser einfach mitten in die Geschichte reinziehst und trotzdem die Charaktere vorstellst und einen Grundriss der Geschichte, um die es jeweils geht, zu zeichnen ohne auszuschweifen.
Mit deinen Worten fesselst und bannst du einen und dann endet der Beitrag und man bleibt mit dem Wunsch zurück mehr lesen und mehr erfahren zu wollen.
Das geht mir aber manchmal auch so, wenn ich mir die Texte noch mal ansehe. "Worum ging es da noch gleich?" ist kein seltener Gedanke.
Löschen<3 <3 <3