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[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

15.10.2017

[23 Picking Up The Pieces]

Diese Charaktere, deren Geschichte einem jedes Mal wieder einen Stich versetzt, sind irgendwie gleichzeitig die besten und die schlimmsten. Obwohl mir beim Abtippen aufgefallen ist, dass der Herr wohl einen kleinen Kontrollzwang entwickelt hat. Wundert mich eigentlich. Vielleicht ist das Stress bedingt.



Ihr 18. Geburtstag war gekommen und ereignislos vergangen, nur ein weiterer bitterkalter Septembertag in einem Jahr, das sich nicht mit besonders viel Wärme rühmen konnte. Das war eine Woche her.
Ludwig hatte verreisen müssen, um an verschiedenen Konferenzen teilzunehmen, danach hatte ein anhaltender verfrühter Herbststurm seine Rückreise verhindert. Die ganze Zeit war Casey nicht erreichbar gewesen. Sie ging weder ans Handy, wenn er anrief, noch las sie seine Nachrichten, die er ihr auf verschiedenen Kanälen zukommen ließ.
Dennoch saß Ludwig in seinem Büro statt nach Reinbek zu fahren und das persönliche Gespräch mit ihr zu suchen. Er kam sich ja selbst schon zu aufdringlich vor. Außerdem erledigte sich seine Arbeit nicht von selbst, weshalb auf jedem seiner Tablets gerade mehrere Apps geöffnet waren, die in unterschiedlichen Farben Informationen nach ihrer Wichtigkeit markiert anzeigten. Rot war dabei den besonders dringenden Informationen zugeordnet und zu seinem großen Unmut die mit Abstand häufigste Farbe. Zahlungen mussten von ihm bewilligt oder an die nächste Instanz weitergeleitet werden. Ein Mitarbeiter fiel über Monate aus und musste ersetzt werden.
Es klopfte an der Tür.
Wie sollte Ludwig nur genügend Sparpotential auftun, um seine Vorgesetzten zufrieden zu stellen?
Ein weiteres Klopfen ertönte, diesmal dringlicher.
„Herein!“, sagte Ludwig für seinen eigenen Geschmack zu barsch.
Ein Mann Anfang 30 trat ein, dessen Lächeln dazu in der Lage sein könnte, Gewitterwolken zu vertreiben, so sehr strahlte es. Gabriel war erst seit einem guten Vierteljahr Ludwigs Assistent und Mädchen für alles – eine Stelle, für die auf mysteriöse Weise finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden konnten.
„Miss Goldorf ist hier.“
Ludwig schaute Gabriel verdattert an, dann wandte er den Blick zur Tür. Sein Körper verzehrte sich nach diesem Gespräch, nach dem Wiedersehen. Das vergangene halbe Jahr war hart gewesen, weil er zu viel Arbeit auf sich geladen hatte, ohne Caseys Gesellschaft als Zuflucht für seinen geschundenen Geist zuzulassen. Und jetzt war sie tatsächlich gekommen, obwohl sie ihn doch seit einer Woche ignorierte.
„Sie kann reinkommen.“
Gabriel nickte und ging wieder hinaus. Auf einem der Tablets wurde gerade eine tiefrote Kennzahl angezeigt, die wahrscheinlich besser gestern als heute Beachtung finden sollte. Sie konnte warten.
Casey kam in das Büro und brach damit den Bann der Zahlen vollständig.  Noch ehe die Tür richtig geschlossen war, stand Ludwig schon auf, ein Lächeln nicht verbergend.
„Du bist hier“, sagte er freudig.
„Ich bin hier.“
„Wie geht es dir?“
Sie zuckte mit den Schultern. Ihr Gesicht wirkte nüchtern, fast ohne jede Emotion. So kannte Ludwig sie sonst nicht, weshalb ihm mulmig wurde.
„Ich wollte mit dir über meinen nächsten Urlaub reden. Den muss ich verschieben, also vorziehen, um genau zu sein, weil ich mich mit einer Art Hausarbeit auseinandersetzen muss, die den Großteil meiner Abschlussnote in dem Fach ausmacht.“
Das letzte Schuljahr. Ludwig schluckte trocken, als er sich dadurch ins Bewusstsein rief, wie jung Casey wirklich war. Nur wenige Jahre älter als-
„Okay, das geht schon klar, du musst mir die genauen Daten nur mailen“, er machte eine Pause, in der sie seufzte, „Hast du sonst noch etwas auf dem Herzen?“
„Nein. Was sollte ich schon wollen.“
Eine Aussage, keine Frage. Nicht einmal eine rhetorische. Ludwig ging um seinen Schreibtisch herum, wobei sie ihn genau beobachtete, als wäre er ein Raubtier. Ihm wurde noch unwohler.
„Du reagierst nicht auf meine Anrufe.“
„Ich habe viel zu tun.“
„Bist du dir nicht mehr sicher wegen uns? Wenn du mich nicht mehr… willst, kannst du mir das ruhig sagen, ich reiße dir schon nicht den Kopf ab.“
Die großen grauen Augen auf ihn gerichtet, wand sie sich unbehaglich. Seine Wortwahl war nicht die geschickteste gewesen, das musste er zugeben.
„Ich hatte genug Zeit zum Nachdenken und, na ja, ich war kindisch. Was ich gesagt habe, war kindisch.“
Er blieb ganz still stehen, obwohl er sie in die Arme ziehen wollte. Aber das konnte er nicht machen, wenn sie sich so unsicher zeigte. Dabei war sie doch vor einigen Monaten noch so sicher gewesen, wie sie ihre gemeinsame Zukunft sah, wenn sie erst einmal 18 war.
„Ich habe überlegt, was ich machen soll“, fuhr sie fort.
„Und?“
„Ich kann nicht nur an das denken, was ich möchte. Was die anderen sagen würden, ist viel zu wichtig für deine Karriere. Allein deine Chefs... wenn die hören, dass du mit einer Mitarbeiterin liiert bist, halten sie dich für unprofessionell. Und wenn sie dann auch noch erfahren, dass ich gerade erst volljährig geworden bin, kommen noch ganz andere Boshaftigkeiten zum Vorschein. Du bist deinen Ruf schneller los, als ich aus der Schule raus bin. Es geht einfach nicht.“
Ludwig hielt erwartungsvoll den Atem an. Die Bedenken, die ihn zu dieser halbjährigen Pause gebracht hatten, nun aus ihrem Mund gehört zu haben, tat weh. Der Traum von gemeinsamen Momenten, in denen sie etwas anderes waren als gute Freunde, war wohl ausgeträumt.
„Es ist besser, wenn ich jetzt gehe“, sagte sie, während sie sich zur Tür drehte.
Aus einem Impuls heraus ging er zu ihr und fasste sanft an ihre Schulter, was ihre Bewegung stoppte.
„Danke“, sagte er mit einem wehmütigen Lächeln, „das macht es nicht gerade leichter, aber ich werde es bestimmt besser ertragen, nicht mit dir zusammen zu sein, weil ich jetzt deine Gründe kenne.“
Casey ließ kurz den Kopf hängen, ehe sie sich zu Ludwig umdrehte. In ihren Augen standen Tränen, die ihm sagten, wie schwer ihr diese Entscheidung wirklich gefallen war. Er wollte sie mehr denn je in die Arme schließen und nicht mehr loslassen.
„Ich weiß, es ist das Richtige für dich…“
Der Satz hing in der Luft und klang, als hätte noch mehr folgen sollen. Casey biss sich auf die Unterlippe und schaute zu Boden. Diese Entscheidung tat ihr weh, da half es ihr wenig, dass auch Ludwig diesen Schmerz fühlte.
Vorsichtig strich er über ihre Wange und konnte im ersten Moment nur dabei zusehen, wie sie sich an seinem halbgestreckten Arm vorbei bewegte und sich gegen seine Brust drückte, wo sie den Tränen freien Lauf ließ. Die Umarmung kam wie von selbst.
Eines Tages, so hoffte er, würden sie zusammen sein. Doch jetzt mussten sie erst einmal ihre Wunden lecken, ehe sie Argumente finden konnten, die diese Entscheidung umkehrten. So wie Casey sich in die Berührung schmiegte, keimte eine kleine Hoffnung in ihm auf, dass sie beide nicht allzu lang auf diesen Tag warten mussten, an dem sie endlich doch noch ein Paar wurden.

2 Kommentare:

  1. Arme Casey, armer Ludwig ;_; Aber so, so wunerschön geschrieben.
    Ich mag die Geschichte der beiden sehr.
    Da ist sie nun endlich 18 und es wird doch nichts mit den beiden. Ich kann verstehen, wie die beiden sich fühlen müssen ♥

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    1. ;___; Sie tun mir immer so leid, weil einfach nichts läuft. Nicht wirklich wegen äußerer Einflüsse, sondern weil sie sich ihre Beziehung schlecht reden. Immerhin KÖNNTE es sein, dass sich jemand daran stört.
      <3 <3 <3

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