Aber das soll unsere Laune ja nicht trüben!
Hier ist mein Beitrag zum Schlagwort "Sorrow" - den ich gerne verstecken würde, aber, nun, er ist geschrieben und hat damit eine Daseinsberechtigung erworben.
Endlich war es wieder warm. In den vergangenen Tagen war
es immer kalt gewesen, immer hatte Casey gefroren, obwohl alle anderen in der
Wohnung mit nicht mehr als einem T-Shirt und Jeans auskamen. Sie hatte gefroren
und gewusst, dass das nicht von außen kam. Aber jetzt, jetzt ging es ihr gut,
wenigstens für diesen Moment. Gleich, wenn sie sich wieder daran erinnern
würde, weshalb ihr so schrecklich
zumute war, dann würde die Kälte wiederkommen, ihr den Rücken hochkrabbeln,
sich in ihrem Genick festbeißen. Noch war es nicht so weit, sie konnte genießen.
Sie bewegte sich leicht und die Arme, diese starken
Männerarme, umschlossen sie stärker, zogen sie an einen Körper, der ebenso
nackt war wie ihrer. Genüsslich schmiegte sie sich daran, wollte mehr, mehr
Wärme, mehr Haut, mehr Vergessen. Ihre Seele brauchte das. Nur das zählte.
„Man könnte das hier vollkommen missverstehen“, sagte er
leise.
„Ja?“, Casey war sich nicht sicher, ob sie ihrer Stimme
einen sarkastischen Klang verliehen hatte, weil es sie nicht interessierte. Es
war warm, so schön warm.
„Natürlich“, antwortete er müde. Langsam drehte er sich,
strich ihr über die Seite. „Die anderen wissen zwar, dass ich-“ Er sprach es
nicht aus, das tat er nie.
„Aber?“, half sie ihm sanft auf die Sprünge.
„Wir, zusammen in einem Bett, nackt, eng umschlungen?
Wäre ich dein Freund-“
„Bist du aber nicht.“
„Eben drum.“
Widerwillig richtete sie sich auf, spürte sofort die
Luft, die ihr erbarmungslos in die Haut biss.
„Es geschieht doch nichts“, erwiderte sie.
Lange schaute er sie nur an aus seinen braunen Augen, die
in den letzten Wochen immer einen traurigen Ausdruck trugen, der sie fast zum
Weinen brachte.
„Und wenn doch? Wenn wir nun etwas geschehen lassen?“
„Du liebst doch-“
„Er ist tot!“, stieß er hervor und sie spürte einen
Stich, genau dort, wo dieser dicke Eisklumpen in ihrer Brust war. Tot. Vor
Wochen gestorben. Der Grund, weshalb ihr immer kalt war. Immer, immer war ihr
kalt, weil ihr Bruder sie verlassen hatte, nicht ihr leiblicher, sie war
Einzelkind, aber doch ihr Bruder.
„Pete…“, sie wusste nicht, was sie sagen wollte, schaute
ihm nur weiter ins Gesicht, in die traurigen braunen Augen. „Ich dachte, du
bist schwul.“
Seine Hand legte sich auf ihre Wange. „Bin ich nicht. Ich
liebe ihn immer noch, ja, aber ich bin nicht schwul.“
Plötzlich fühlte Casey sich kribbelig. Diese ganze Situation
war so sicher gewesen, sie hatte sich geborgen gefühlt, verstanden in ihrem
Verlust. Mit Pete war es so einfach. Sie hatte sich zu ihm gelegt, weil sie
seine Wärme suchte, und irgendwie, sie wusste nicht einmal wie, war sie darauf
gekommen, es wäre noch viel wärmer, wenn sie sich direkt an ihn schmiegen
könnte, ohne störende Kleidung. Anormales Verhalten.
„Guck mich nicht so an, ich sage ja nicht, dass ich es
mit dir tun will. Ich will es nicht und außerdem hast du einen Freund.“
Dieser Schmerz in seinen Augen, wenn er das Wort ‚Freund‘
in den Mund nahm, tat ihr weh. Er hatte seinen Freund verloren, sie nur ihren
Bruder. Wie sollte sie jemals das Ausmaß seines Schmerzes nachempfinden können,
wo ihr doch nicht die zweite Hälfte ihres Ichs entrissen worden war?
„Ist dir auch so kalt?“
„Nein. Ich habe mich schon gewundert, warum du immer dick
angezogen bist.“
Sie lächelte schwach, während sie sich vorbeugte und ihn
auf die Wange küsste.
„Du bist der größte Tölpel, den ich jemals getroffen
habe.“
„Dankeschön“, er klang zu ihrem Erstaunen nicht verletzt.
„Ich verstehe nicht, wie du zum Frühstück Pizza essen
kannst, und warum du so sehr an deiner komischen Strickmütze hängst. Aber wenn
du es brauchst, wenn du mich brauchst… meinen Körper, um deinen Schmerz zu
vergessen, dann… dann stehe ich dir nicht im Weg. Es wäre doch eine
Win-Win-Situation.“
„Auf deiner Seite wäre das ‚pity sex‘.“
Nein, auf ihrer Seite wäre es etwas, das ihr Wärme
verschaffen würde. Von außen, von innen, überall. Ihr wäre richtig warm, bis
ihr schlechtes Gewissen käme.
Pete zog sie erneut in seine Arme und drückte sich an
sie, so nah, dass sie fast glaubte, er habe es sich überlegt.
„Win-Win gibt es bei sowas nicht, Casey“, erklärte er
ruhig, „du zerfleischt dich am Ende nur selbst, weil du deinen Freund betrogen
hast. Und ich würde das gleiche tun. Er mag tot sein, aber er ist immer noch
bei mir. Irgendwie.“
„Dann sollte ich vielleicht gehen.“
„Bleib doch hier…“
„Was wir hier tun, das ist nicht normal, oder? Es ist
falsch!“
„Was ist schon normal?“
Seufzend versuchte sie seinen Armen zu entkommen, was ihn
nur dazu brachte, sie etwas ruppiger zu sich zu ziehen.
„Pete…!“
„Bitte, bleib bei mir, ich brauche dich jetzt, nur heute,
nur jetzt! Ich will dich doch nur halten, dann wird dir doch auch warm!“
Verzweiflung, Unruhe, Angst.
Es würde nichts passieren, nichts, was sie bereuen
würden.
Also blieb Casey da, in Petes Armen, und glitt irgendwann
in einen traumlosen Schlaf.
Bedrückend, schön, traurig, berührend, interessant, widersprüchlich, wahnsinnig toll, schön zu lesen. Und noch ganz viele Worte mehr, die meine Eindrücke beschreiben, mir jetzt aber gerade in meinem Wortschatz fehlen, weil das Gelesene noch zu frisch ist und mich ein wenig sprachlos macht. Selbstverständlich im positiven Sinne.
AntwortenLöschenGeht es beim NaNoWriMo(?) nicht sogar darum, sich selbst nicht so sehr zu kritisieren und mal einfach drauf los zu schreiben, auch ohne Plan? Ich fände es jedenfalls toll, wenn du mitmachst - selbst, wenn du nichts einreichst, denke ich, dass es für dich selbst vielleicht von Wert ist und sich vielleicht ein richtig toller Roman daraus entwickelt. Irgendwie hat man immer viel zu viel Angst irgendwas falsch zu machen, was einen im Endeffekt davon abhält ein tolles Werk zu erschaffen. (Ja, ich weiß, diesen Rat könnte ich eben so gut, mir selbst erteilen)
Danke, Liebes :) Ich finde es nur doof, dass ich es einfach nicht schaffe, Casey einfach mal fröhlich zu schreiben. sie ist pessimistisch, ständig schlecht drauf, nie zufrieden mit sich. Natürlich hat das in der Story einen Sinn, aber es macht mich immer ganz traurig. Aber es freut mich, dass dir diese Geschichte hier gefallen hat (zumal es endlich mal eine ist, die nicht unbedingt weitergehen müsste).
LöschenDas ist eigentlich der Sinn des NaNoWriMo. Eingereicht wird da nichts, welche Gottheit auch immer bewahre, sonst hätte ich mich nicht überreden lassen, das zu machen. Man schreibt schön auf seinem Computer und lässt von einem Programm die Wörter auszählen, das ist alles. Ziel sind 50,000 in einem Monat, also etwa 1,667 pro Tag.
Dein Rat ist gar nicht so schlecht, ich bin nur so furchtbar selbstkritisch. Den Kram vom letzten Jahr habe ich neulich noch einmal gelesen und fast geweint. Aber ich denke, ich kann es ja wieder versuchen. Was sind denn schon 1,667 Wörter am Tag? Nichts. Ein Klacks.
<3