Englisch wurde wieder einmal als effizienteste Sprache
der Welt genannt – vor Mandarin – und ist somit der Beweis dafür, dass man
nicht schnell reden muss (Englisch ist nicht so behäbig wie Deutsch, aber vor
allem lange nicht so schnell wie Spanisch oder Japanisch), um einen Inhalt zu
übermitteln. Soweit ist uns das ja noch halbwegs bekannt gewesen und das ist es
auch nicht, was mich stört. Viel mehr rege ich mich über die vermeidlichen
Sprachwissenschaftler auf, die als Kommentar zum Artikel fordern, man solle
seine Muttersprache sprechen und vor Vermischungen schützen.
Was genau stört mich an dieser Aussage?
„Oliver Kaltner, General Manager der Consumer Channel
Group bei Microsoft Deutschland, spricht im exklusiven Interview mit MSN.de
über den Verkaufserfolg von Kinect, den Aufklärungsbedarf bei der
Cloud-Technologie, die Chancen auf dem Mobilfunktmarkt und über
"Consumerization of IT", nach Meinung von Kaltner die
Zukunftstechnologie der nächsten Jahre.“
http://computer.de.msn.com/ratgeber-und-tests/oliver-kaltner-im-interview-geschlossene-systeme-werden-ihre-endlichkeit-haben
Wollen wir zählen, was übrig bleibt, wenn wir nur die
vollständig deutschen Wörter nennen (wobei ‚vollständig‘ in meinem Ermessen
liegt, da ich nicht zu jedem Wort die Herkunft kenne)?
„Oliver Kaltner, der bei Deutschland, spricht im mit über
den Verkaufserfolg von, den Aufklärungsbedarf bei, die auf dem und über, nach
Meinung von Kaltner die der nächsten Jahre.“ = 28 von 46 Wörtern
(Informationsgehalt jedoch gleich null)
Ja, ich habe soeben einen schönen Text verstümmelt. Man
kann natürlich auch noch Mobilfunkmarkt lassen, wo es steht – weil der Begriff
inzwischen so deutsch ist, dass man keine Ahnung mehr hat, wo sein Ursprung liegt
(um genau zu sein Latein von mobilis = beweglich). Was seinen Namen angeht,
habe ich keine Ahnung, ob Oliver und Kaltner deutsch sind – aber bei Namen
fordert ja auch niemand, man möge seine Kinder wieder Harald nennen, es dreht
sich ja nur um die täglich gesprochene Sprache, das Instrument zur Übermittlung
von Informationen.
Und nun kommt ein ganz großes ABER – das muss mal
angekündigt werden, for the effect. Ich
habe gestutzt, als ich diese Einleitung gelesen habe, aber dann war es für mich
doch ganz normal. Der General Manager ist mir ebenso geläufig wie das Wort
Technologie (dazu wollte ich übrigens noch einen Takt sagen: Ich habe es oben
aus dem reduzierten Text hinaus genommen, weil ich gelesen habe, Technologie
habe es im Deutschen nicht gegeben, bis es vom englischen Wort technology eingedeutscht wurde –
dementsprechend ist es für mich so wenig Deutsch wie Consumer). Auch wenn das
kein hinreichender Beweis ist, zeigt es doch, dass Sprache lebendig ist – denn wer
hätte diesen Satz vor 30 Jahren so problemlos verstanden? (<– falls diese
Behauptung hanebüchen ist, weil die Einleitung sehr wohl verstanden worden
wäre, bitte ich um Entschuldigung)
Zurück zu den Leuten, die die Reinhaltung der deutschen
Sprache fordern. Sie haben insofern recht, als dass sich Anglizismen immer mehr
ausbreiten, was sicher daran liegt, dass die Welt immer mehr zusammenrückt.
Jetzt höre ich schon wieder in meinem Geiste die Stimmen, die mir als
Gegenbeispiel die Franzosen nennen. Ein Volk, das so stolz auf seine Sprache
ist, dass es keine Anglizismen will. Und all diesen Freizeit-Linguisten möchte
ich eines sagen: Dass Deutsche gerne aus anderen Sprachen – vor allem Englisch –
importieren, ist vor allem historisch bedingt. Nach den Kriegen stand Englisch
für ein besseres Leben, ein wünschenswertes Leben. Ich rate mal, dass vor allem
die Jugend alles „undeutsche“ gut fand – besonders, wenn ich mich an Filme aus
dieser Zeit erinnere, in denen die ältere Generation schon beim bloßen
Anklingen der Hottentottenmusik einen Anfall bekommen hat. Man trank Coca Cola,
tanzte Rock ‘n‘ Roll und so weiter und so fort. Englisch gleich gut. Diese
Einstellung hat sich wohl in den Köpfen aller folgenden Generationen verankert.
Also ist es wohl eine Art Trauma, denn Deutsch stand in erster Linie für den
Verlust von Verwandten, für Schmerz und Kriegsschuld. (Ja, jetzt begebe ich
mich unter die Hobbypsychologen, aber ich denke, so weit reicht meine
Küchenpsychologie dann doch noch, um diesen Zusammenhang wenigstens
einigermaßen richtig aufzufassen.)
Erstaunt es da noch, dass die Franzosen („Gewinner“)
nicht im Traum daran gedacht haben, Englisches zu adaptieren? Und wenn man
schon bei Geschichte ist, dann weiß man, dass England und Frankreich sich ja
nie so ganz grün waren. Da will ich als Franzose doch nicht Englisch reden!
Nun, die Welt rückt dennoch weiter zusammen – und es
kommt viel neues vom englischsprachigen Markt auf den deutschen. Es stellt sich die Frage, ob man einfach
ungefragt Namen von Produkten übernehmen muss, oder zwanghaft nach deutschen
Begriffen suchen sollte, die sich dann auch durchsetzen müssen. Da kommt die
angeborene Faulheit jedes Individuums zum Tragen. Auch, wenn Deutsch nach
Englisch und Mandarin als dritteffizienteste von sieben getesteten Sprachen
genannt wurde (ich betone noch einmal, dass eben diese drei Sprachen im Test
die drei langsamsten waren), lässt sich manches auf Englisch eben doch kürzer
sagen. Und das wollen wir ja. Wenig sagen, viel ausdrücken. Wer zieht den
Klapprechner mit seinen drei Silben dem Laptop mit zwei Silben vor? Warum
sollte ich das pseudoenglische Wort Handy durch Mobiltelefon (was ja auch nicht
deutsch ist, also korrekt „tragbarer Fernsprecher“ heißen müsste) ersetzen? Bei
Gegenbeispielen wie „E-Mail ist aber auch nicht kürzer als E-Post!“ ist einer
der Gründe wahrscheinlich der Klang – neben der Gewohnheit. E-Mail klingt zwar
schon nicht schön, aber immer noch weicher als E-Post – zumindest für meine
Ohren.
Meine Beispiele sind absichtlich aus dem Bereich Technik,
weil dieser stark von Anglizismen durchzogen ist. Die Küche hingegen ist und
bleibt wohl hauptsächlich französisch – die englische/amerikanische Küche rühmt
sich halt nicht mit besonders guter Qualität und ist somit der deutschen
erstaunlich ähnlich. So war es jahrelang, so wird es bleiben. Oder sollten wir
jetzt den französischen Begriff Sauce (eingedeutscht Soße) wieder durch das
deutsche Tunke ersetzen, damit unsere Sprache reiner wird, oder ist Sauce/Soße
inzwischen so deutsch, dass wir es behalten können? Sollten Kekse keine Kekse
mehr sein, weil das nur eine für den deutschen Sprachgebrauch veränderte
Variante des englischen „Cakes“ ist? Man sieht, dass Sprache schon früher mit
und von Anleihen aus Fremdsprachen gelebt hat. Wir machen etwas aus der Lamäng
(von la main = die Hand (frz.)), stellen Wagen in Garagen ab, sehen Ballons am
Himmel – und finden diese Begriffe so wie viele weitere ganz normal, weil sie
sich mit der Zeit eingebürgert haben.
Jede Sprache braucht das. Japaner lieben es zum Beispiel,
die englische Sprache aufs Korn zu nehmen, wobei sie immer denken, sie würden
es richtig benutzen. Auch Deutsch ist sehr beliebt bei ihnen – ich kann die
Zahl der Anime, in denen ich bisher darauf gestoßen bin, nicht mehr nennen. Und
unsere amerikanischen Freunde sprechen gerne von rucksacks, wanderlust und
wünschen sich gesundheit.
Bei schlimmen Vermischungen wie „For you. Vor Ort.“ fragt
man sich natürlich, wann es mal genug ist. Aber dieser Slogan ist halt ebenso
eingängig wie „Einmal hin, alles drin“ oder „LIDL lohnt sich“. Warum? Reime und
Alliterationen kann man sich eben besonders gut merken. „Haribo, c‘est beau la
vie, pour les grands et les petits.“ – sogar der blieb bei mir hängen, obwohl
mir die Sprache sonst nichts mehr sagt.
Der Schleckerslogan ist aber – im Gegenteil zu den
meisten anderen – auch bei geringen Englischkenntnissen verständlich. Wie viele
Leute haben „broadcast yourself“ nicht verstanden oder „Come in – and find out“
(Wie? Ich soll reinkommen und schnell wieder raus finden? – was bei Douglas
vielleicht sogar angebracht ist, wenn an von Parfüms Kopfschmerzen bekommt).
Da das hier aber nicht Thema sein sollte und ich mich
ohnehin schon sinnlos um Kopf und Kragen geredet habe, höre ich hier auf.
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