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[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

29.10.2011

[Wir wollen keine Vermischung nicht]


Englisch wurde wieder einmal als effizienteste Sprache der Welt genannt – vor Mandarin – und ist somit der Beweis dafür, dass man nicht schnell reden muss (Englisch ist nicht so behäbig wie Deutsch, aber vor allem lange nicht so schnell wie Spanisch oder Japanisch), um einen Inhalt zu übermitteln. Soweit ist uns das ja noch halbwegs bekannt gewesen und das ist es auch nicht, was mich stört. Viel mehr rege ich mich über die vermeidlichen Sprachwissenschaftler auf, die als Kommentar zum Artikel fordern, man solle seine Muttersprache sprechen und vor Vermischungen schützen.

Was genau stört mich an dieser Aussage?
Mit dem ersten Teil habe ich keine Probleme. Ich spreche gerne Deutsch, weil ich mir einbilde, so zumindest mit der Sprache eine gewisse Sicherheit zu haben – wenn ich mir schon nicht immer sicher bin, was ich sagen will [hier sollte ein Zwinkersmiley sein]. Aber der zweite Teil ist für mich schon fast blanker Unsinn. Verlangen diese Leute, dass Sprache ab sofort starr sein soll? Teilweise kann ich es ja schon verstehen. Neulich habe ich auf MSN.de aus Langeweile etwas über Kinect lesen wollen, was ich am Ende nicht tat, weil ich von der Fülle an englischen Begriffen in der Einleitung fasziniert war:
„Oliver Kaltner, General Manager der Consumer Channel Group bei Microsoft Deutschland, spricht im exklusiven Interview mit MSN.de über den Verkaufserfolg von Kinect, den Aufklärungsbedarf bei der Cloud-Technologie, die Chancen auf dem Mobilfunktmarkt und über "Consumerization of IT", nach Meinung von Kaltner die Zukunftstechnologie der nächsten Jahre.“
http://computer.de.msn.com/ratgeber-und-tests/oliver-kaltner-im-interview-geschlossene-systeme-werden-ihre-endlichkeit-haben
Wollen wir zählen, was übrig bleibt, wenn wir nur die vollständig deutschen Wörter nennen (wobei ‚vollständig‘ in meinem Ermessen liegt, da ich nicht zu jedem Wort die Herkunft kenne)?
„Oliver Kaltner, der bei Deutschland, spricht im mit über den Verkaufserfolg von, den Aufklärungsbedarf bei, die auf dem und über, nach Meinung von Kaltner die der nächsten Jahre.“ = 28 von 46 Wörtern (Informationsgehalt jedoch gleich null)
Ja, ich habe soeben einen schönen Text verstümmelt. Man kann natürlich auch noch Mobilfunkmarkt lassen, wo es steht – weil der Begriff inzwischen so deutsch ist, dass man keine Ahnung mehr hat, wo sein Ursprung liegt (um genau zu sein Latein von mobilis = beweglich). Was seinen Namen angeht, habe ich keine Ahnung, ob Oliver und Kaltner deutsch sind – aber bei Namen fordert ja auch niemand, man möge seine Kinder wieder Harald nennen, es dreht sich ja nur um die täglich gesprochene Sprache, das Instrument zur Übermittlung von Informationen.
Und nun kommt ein ganz großes ABER – das muss mal angekündigt werden, for the effect. Ich habe gestutzt, als ich diese Einleitung gelesen habe, aber dann war es für mich doch ganz normal. Der General Manager ist mir ebenso geläufig wie das Wort Technologie (dazu wollte ich übrigens noch einen Takt sagen: Ich habe es oben aus dem reduzierten Text hinaus genommen, weil ich gelesen habe, Technologie habe es im Deutschen nicht gegeben, bis es vom englischen Wort technology eingedeutscht wurde – dementsprechend ist es für mich so wenig Deutsch wie Consumer). Auch wenn das kein hinreichender Beweis ist, zeigt es doch, dass Sprache lebendig ist – denn wer hätte diesen Satz vor 30 Jahren so problemlos verstanden? (<– falls diese Behauptung hanebüchen ist, weil die Einleitung sehr wohl verstanden worden wäre, bitte ich um Entschuldigung)

Zurück zu den Leuten, die die Reinhaltung der deutschen Sprache fordern. Sie haben insofern recht, als dass sich Anglizismen immer mehr ausbreiten, was sicher daran liegt, dass die Welt immer mehr zusammenrückt. Jetzt höre ich schon wieder in meinem Geiste die Stimmen, die mir als Gegenbeispiel die Franzosen nennen. Ein Volk, das so stolz auf seine Sprache ist, dass es keine Anglizismen will. Und all diesen Freizeit-Linguisten möchte ich eines sagen: Dass Deutsche gerne aus anderen Sprachen – vor allem Englisch – importieren, ist vor allem historisch bedingt. Nach den Kriegen stand Englisch für ein besseres Leben, ein wünschenswertes Leben. Ich rate mal, dass vor allem die Jugend alles „undeutsche“ gut fand – besonders, wenn ich mich an Filme aus dieser Zeit erinnere, in denen die ältere Generation schon beim bloßen Anklingen der Hottentottenmusik einen Anfall bekommen hat. Man trank Coca Cola, tanzte Rock ‘n‘ Roll und so weiter und so fort. Englisch gleich gut. Diese Einstellung hat sich wohl in den Köpfen aller folgenden Generationen verankert. Also ist es wohl eine Art Trauma, denn Deutsch stand in erster Linie für den Verlust von Verwandten, für Schmerz und Kriegsschuld. (Ja, jetzt begebe ich mich unter die Hobbypsychologen, aber ich denke, so weit reicht meine Küchenpsychologie dann doch noch, um diesen Zusammenhang wenigstens einigermaßen richtig aufzufassen.)
Erstaunt es da noch, dass die Franzosen („Gewinner“) nicht im Traum daran gedacht haben, Englisches zu adaptieren? Und wenn man schon bei Geschichte ist, dann weiß man, dass England und Frankreich sich ja nie so ganz grün waren. Da will ich als Franzose doch nicht Englisch reden!
Nun, die Welt rückt dennoch weiter zusammen – und es kommt viel neues vom englischsprachigen Markt auf den deutschen.  Es stellt sich die Frage, ob man einfach ungefragt Namen von Produkten übernehmen muss, oder zwanghaft nach deutschen Begriffen suchen sollte, die sich dann auch durchsetzen müssen. Da kommt die angeborene Faulheit jedes Individuums zum Tragen. Auch, wenn Deutsch nach Englisch und Mandarin als dritteffizienteste von sieben getesteten Sprachen genannt wurde (ich betone noch einmal, dass eben diese drei Sprachen im Test die drei langsamsten waren), lässt sich manches auf Englisch eben doch kürzer sagen. Und das wollen wir ja. Wenig sagen, viel ausdrücken. Wer zieht den Klapprechner mit seinen drei Silben dem Laptop mit zwei Silben vor? Warum sollte ich das pseudoenglische Wort Handy durch Mobiltelefon (was ja auch nicht deutsch ist, also korrekt „tragbarer Fernsprecher“ heißen müsste) ersetzen? Bei Gegenbeispielen wie „E-Mail ist aber auch nicht kürzer als E-Post!“ ist einer der Gründe wahrscheinlich der Klang – neben der Gewohnheit. E-Mail klingt zwar schon nicht schön, aber immer noch weicher als E-Post – zumindest für meine Ohren.
Meine Beispiele sind absichtlich aus dem Bereich Technik, weil dieser stark von Anglizismen durchzogen ist. Die Küche hingegen ist und bleibt wohl hauptsächlich französisch – die englische/amerikanische Küche rühmt sich halt nicht mit besonders guter Qualität und ist somit der deutschen erstaunlich ähnlich. So war es jahrelang, so wird es bleiben. Oder sollten wir jetzt den französischen Begriff Sauce (eingedeutscht Soße) wieder durch das deutsche Tunke ersetzen, damit unsere Sprache reiner wird, oder ist Sauce/Soße inzwischen so deutsch, dass wir es behalten können? Sollten Kekse keine Kekse mehr sein, weil das nur eine für den deutschen Sprachgebrauch veränderte Variante des englischen „Cakes“ ist? Man sieht, dass Sprache schon früher mit und von Anleihen aus Fremdsprachen gelebt hat. Wir machen etwas aus der Lamäng (von la main = die Hand (frz.)), stellen Wagen in Garagen ab, sehen Ballons am Himmel – und finden diese Begriffe so wie viele weitere ganz normal, weil sie sich mit der Zeit eingebürgert haben.
Jede Sprache braucht das. Japaner lieben es zum Beispiel, die englische Sprache aufs Korn zu nehmen, wobei sie immer denken, sie würden es richtig benutzen. Auch Deutsch ist sehr beliebt bei ihnen – ich kann die Zahl der Anime, in denen ich bisher darauf gestoßen bin, nicht mehr nennen. Und unsere amerikanischen Freunde sprechen gerne von rucksacks, wanderlust und wünschen sich gesundheit.

Bei schlimmen Vermischungen wie „For you. Vor Ort.“ fragt man sich natürlich, wann es mal genug ist. Aber dieser Slogan ist halt ebenso eingängig wie „Einmal hin, alles drin“ oder „LIDL lohnt sich“. Warum? Reime und Alliterationen kann man sich eben besonders gut merken. „Haribo, c‘est beau la vie, pour les grands et les petits.“ – sogar der blieb bei mir hängen, obwohl mir die Sprache sonst nichts mehr sagt.
Der Schleckerslogan ist aber – im Gegenteil zu den meisten anderen – auch bei geringen Englischkenntnissen verständlich. Wie viele Leute haben „broadcast yourself“ nicht verstanden oder „Come in – and find out“ (Wie? Ich soll reinkommen und schnell wieder raus finden? – was bei Douglas vielleicht sogar angebracht ist, wenn an von Parfüms Kopfschmerzen bekommt).

Da das hier aber nicht Thema sein sollte und ich mich ohnehin schon sinnlos um Kopf und Kragen geredet habe, höre ich hier auf.

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