Nito! Auch er ist seit 2009 in meinem Leben, auch wenn ich ihn hierfür umbenannt bzw. einen seiner "Alternativnamen" verwendet habe. Er hat einen Grund dafür, dass er nicht gleich mitteilt, wie er sich sonst nennt.
Ich mag den Herren sehr gerne und finde es interessant, ihn mit anderen Charakteren interagieren zu sehen, als er es sonst macht. Na ja, hier ist er nur mit Kasia zu sehen, aber die Dame finde ich auch immer wieder schön zu schreiben.
Nito beobachtete, wie Kasia mit einem gut gefüllten
Tablett den Raum betrat und konzentriert versuchte, nichts aus den Fingern
gleiten zu lassen. Er versuchte nicht zum ersten Mal, die Magie in ihr zu
spüren, doch diese musste sie gut verschlossen halten, denn es drang nicht
einmal ein Funke davon zu ihm durch.
Sie stellte das Tablett auf dem Beistelltisch ab und
wandte sich Nito mit einem Lächeln zu, bei dem ihm ganz warm wurde. So warm es
einem Wassermagier eben ohne Außeneinwirkung wurde.
"Ihr seht jeden Tag besser aus! Die Erholung tut
Euch gut!", sagte sie beschwingt.
Nito biss sich auf die Unterlippe, während er nickte.
"Ihr seid aber die letzten Tage sehr schweigsam.
Habe ich Euch etwas getan?"
Er senkte die Stimme. "Wieso tust du immer noch, als
hättest du dich mir nicht offenbart?"
Ihr Lächeln blieb lieblich. "Weil ich nicht weiß, ob
die Wände Ohren haben. Meine Schwestern möchten dich alsbald loswerden, also
glaube ich, sie versuchen einen Grund zu finden. Bin ich zu freundschaftlich,
werfen sie mich gleich mit raus." Sie nahm auf demselben Stuhl Platz, wie
die vergangenen Tage. "Also wonach steht Euch heute der Sinn? Ein wenig
Lesen?"
Er schüttelte den Kopf. „Wenn ich gehe“, er hielt seine
Stimme leise und suchte nach den richtigen Worten, „wenn ich gehe, könntest du
mich doch begleiten.“
„Ein Mann und eine Frau gemeinsam auf Reisen? Das wäre
ein Skandal“, antwortete Kasia, während sie ihm eine der zwei Tassen vom
Tablett reichte. Der Tee roch deutlich würziger als sonst.
„Wir sehen uns ähnlich genug, um uns als Geschwister
auszugeben.“
Sie verharrte in ihrer Bewegung und verlor zum ersten Mal
in diesem Gespräch ihr Lächeln. Ihre Lippen trennten sich voneinander, dann
zuckte sie mit den Schultern und atmete tief ein.
„Wir können auch einfach nur ein wenig reden“, sagte sie
in normaler Lautstärke und mit nach oben verzogenen Mundwinkeln. Ihre Augen
erreichte es nicht.
„Warum?“
„Da Ihr diesen Raum kaum verlasst, denke ich, Euch könnte
hier ein wenig langweilig sein.“
Das mochte so stimmen, trotzdem wollte er sich nicht zu
sehr mit Kasia anfreunden. Er würde sie nicht wiedersehen, sobald er
verschwunden war, immerhin suchte er nach ihr. Und sie wollte
sicher nach Zweiseen statt jemals in die Wüste zurückzukehren. Diesem Wunsch
beugte er sich gerne. Möglicherweise konnte er sich dort in ihrer Nähe
niederlassen und eine Art weiterer Bruder für sie werden.
Kasia kam in keiner dieser Zukunftsvisionen vor.
"Und worüber sollen wir reden?", fragte er mit
kaum verdeckter Aggressivität, von der sie nicht überrascht wirkte. Ganz im
Gegenteil: das entrückte Lächeln blieb.
"Über Dinge, die Euch wichtig sind. Personen, die
Ihr mögt."
Er drehte demonstrativ den Kopf zur Seite.
Kasia entfuhr ein leises Seufzen. "Oder was Euch
einst wichtig war, wenn Ihr nicht über die Gegenwart sprechen wollt."
„Vielleicht möchte ich aber auch gar nicht reden.“
„Dann schweigen wir eben“, er konnte ihr das Lächeln
anhören, was ihn dazu brachte, sich wieder zu ihr wenden.
Sie führte ihre Tasse langsam an ihre Lippen. Die
Bewegung war weitaus anmutiger als nötig wäre, was ein Zeichen dafür sein
konnte, dass sie ihren Wurzeln näher war als Nito nach all den Jahrzehnten in
der Wüste. Früher hatte er Komplimente dafür bekommen, wie elegant er wirkte.
Das hatte er schon lange nicht mehr gehört.
"Spaß war mir früher immer über die Maßen
wichtig", sagte er, um sich selbst abzulenken.
"Oh, das klingt doch sehr schön! Das Leben kann
herausfordernd sein und dann ist ein Ruhepol dazu nötig."
„Spaß mit wechselnden jungen Frauen.“
Nach seiner kühl vorgebrachten Klarstellung, befeuchtete Kasia
ihre Lippen und schüttelte mit geschlossenen Augen kurz den Kopf. Als glaubte
sie ihm nicht. Sie beugte sich wieder näher an ihn heran.
„Ich habe nichts anderes erwartet. Du bist attraktiv und
hast ein langes Leben hinter dir, nicht wahr? Und auf den Bildern, die meine
Großmutter in ihrer Jugend zeichnete, hat sie dich recht gut abgebildet.“
Er schluckte trocken, während sie weiter trank. Ihre
Großmutter konnte doch gar nicht vor so langer Zeit auf ihn getroffen sein?
Vielleicht doch, wenn das Blut in ihren Adern noch nicht allzu verwässert
gewesen war und sie deshalb eine viel längere Lebensspanne als ein Mensch
aufgewiesen hatte. Immerhin wusste er, dass Kasia seiner Art angehörte. Das
musste dann von der Großmutter ausgegangen sein. Oder aber- ein Gedanke drängte
sich ihm auf, bei dem ihm mulmig wurde, wenn er über ihre bisherigen
Interaktionen.
„Du sagst mir nicht gerade durch die Blume, dass ich dein
Großvater bin, oder?“
Nun lachte sie auf. „Nein, bei der Göttin, das nicht.
Dann würde ich mich dir gegenüber auch anders benehmen.“
Sie lehnte sich zurück, stellte ihre Tasse ab und
streckte sich. Er stellte gedankenverloren seine Tasse dazu.
„Gibt es noch mehr, was Ihr mir zu berichten habt? Das
war ja nun nicht sonderlich schockierend für mich.“
Er versuchte sich an die Mädchen von damals zu erinnern
und Ähnlichkeiten zu Kasia festzustellen, doch Nito bemerkte, dass die
Gesichter mit den Jahren verblasst waren. Wirklich gemerkt hatte er sich seine
Eroberung ohnehin nicht besonders gut. Er erinnerte sich an vereinzelte
Merkmale wie besonders große Augen oder entzückende Sommersprossen. Der Rest
lag in einem dichten Nebel.
„Solltet Ihr mich nicht rauswerfen wollen, nachdem ich
gestanden habe, kein tugendreiches Leben zu führen?“
„Solange Ihr nicht völlig gesundet seid, wird das nicht
geschehen. Wir sind Euch zu sehr zu Dank verpflichtet, weil Ihr uns in dem
Sturm geholfen und Euch dabei völlig verausgabt habt.“
Nito drehte sich im Bett und setzte sich auf die Kante,
sodass seine Knie ihre berührten. Ihm war zuvor gar nicht aufgefallen, wie nahe
ihr Stuhl seinem Bett stand.
„Und wenn ich nicht bleiben möchte?“
Aller Humor wich aus ihren Zügen. Die grauen Augen
wirkten weitaus kühler als er es jemals gesehen hatte. „Dann werde ich
insistieren!“, sagte sie mit Leichtigkeit in der Stimme.
„Ich lasse mich hier nicht festbinden.“
„Ich kann nur an Eure Geduld mit Eurem eigenen Körper
appellieren. Ihr wart sehr geschwächt und Ihr benötigt all Eure Kraft für Euren
weiteren Weg, wenn Ihr das Mädchen jemals einholen wollt. Wohin auch immer es
gegangen sein mag.“ Er holte gerade Luft, als sie fortfuhr: „Sie ist eine Eurer
Anverwandten, nehme ich an?“
Das hatten sie doch bereits geklärt! Nito knautschte
seine Decke zwischen den Fingern.
„Nein, aber eine teure Freundin, die sonst niemanden
hat.“
„Dennoch floh sie von dem Ort, an dem ihr beide wart, und
ließ Euch alleine zurück.“
Nito sprang auf, doch er verlor sogleich seinen festen
Stand und taumelte gegen Kasia, die ihn auffing und dann selbst aufstand. Er
fühlte ihre Hände auf dem Rücken, ihren Kopf an seiner Schulter. Der Schwindel,
der ihn so plötzlich überkommen hatte, wurde davon nur verstärkt.
„Bitte, warte noch ein wenig, bis du gehst“, sagte sie
sanft direkt an seinem Ohr, wovon ihm ein kribbeliges Gefühl die Wirbelsäule
entlanglief, „und sag mir, ob du dein Angebot von vorhin ernst meinst. Möchtest
du mich mitnehmen?“
„Ich könnte Gesellschaft brauchen“, gestand er leise.
„Meinst du zum Reden oder wie zu Zeiten meiner
Großmutter?“
„Ich meine-“ Er brach ab, weil er die Antwort nicht
kannte. Kasia im Regen zu sehen, hatte ihm gezeigt, dass seine Gelüste von
damals noch in ihm schlummerten. Es konnte sein, dass er ihnen auf seiner Reise
nachgeben wollte. Es konnte aber auch sein, dass er niemals wieder danach
handeln würde, immerhin war sie sein Ziel. Ihre Freundschaft. Wie
Kasia in all das passen sollte, wusste er nicht.
„Ich meine, ich hätte dich gerne dabei. Und ich mache
nichts, wozu du nicht ausdrücklich zustimmst.“
Sie rieb ihm über den Rücken, dann ließ sie ihn los und
trat einen Schritt zur Tür.
„Ich sollte Euch jetzt lieber wieder in Ruhe lassen.“
Noch bevor er mehr sagen konnte, verschwand sie aus dem
Raum.
Nito legte sich zurück in das Bett und zog die Decke bis über seinen Kopf. Was war das gerade alles gewesen?
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