Bei Casey ist es mir immer ein Anliegen, dass ich sie auch mal unbeschwert schreibe, da sich über die lange Zeit, die ich sie bereits kenne, einfach ein Grad an Schwermut eingeschlichen hat, mit dem ich zusehends hadere. Ja, sie neigt dazu, sich das Leben selbst schwer zu machen. Umso wichtiger ist es für mich, sie auch fröhlich und ausgelassen zu sehen.
Casey lehnte sich tief in das Rückenpolster der Couch,
weil sie nicht länger in den Stilettos stehen wollte, die ihre Mutter ihr
ausgesucht hatte. Sherry schaute zu ihr hinunter.
„Dass du mir genug traust, so einfach mit mir zu kommen“,
sagte er mit hochgezogener Augenbraue.
Sie zuckte mit den Schultern, während sie so lässig wie
möglich die Beine übereinanderschlug. „Wir sind immer noch an einem
öffentlichen Ort und ich werde nichts trinken, wo du mir was reinmischen
kannst. Ich glaube, ich bin ziemlich safe.“
„Oder total nachlässig.“
Mit der Hand klopfte sie auf das Polster neben sich.
„Setz dich zu mir! Wenn du dich als Sittenstrolch
herausstellst, schreie ich laut genug, dass jemand kommt. Also komm nicht auf
dumme Gedanken.“
Mit einem Lachen setzte er sich in gebührlichem Abstand
neben sie. Alle Flirterei von vorhin schien aus ihm gewichen und ließ ihn nun
deutlich vorsichtiger mit ihr umgehen. Er hatte wohl den Familienruf zu
verlieren, obwohl es nicht aussah, als würde sie jemand in diesem Etablissement
erkennen. Sie fielen einzig durch ihre Kleiderwahl auf, die viel zu formell für
diese Bar war. Das Personal beäugte sie fragend, woraufhin Sherry einen Kellner
zu sich winkte und ein Getränk für sich bestellte. Irgendeine Begründung
brauchten sie ja, warum sie Plätze besetzten.
Casey genoss es, sich nicht gezwungen gerade hinsetzen zu
müssen, weil ihre Eltern sonst eine Standpauke für sie bereithielten. Ein wenig
darauf achten musste sie schon, damit ihr Kleid ihr nicht die Luft abschnürte
oder absolut unvorteilhaft an ihr hing wie ein Kartoffelsack. Aber im Gros war
sie deutlich entspannter als auf dem Empfang, dem sie mit ihrem neuen Bekannten
entflohen war.
Sherry hielt den Blick zum Tresen gewandt, was Casey die
Gelegenheit gab, sein Profil zu betrachten. Wie alt er wohl war? Sie könnte
schnell im Internet danach suchen, schließlich war er der Sohn von bekannten
Verlegern, da sollte es nicht schwer sein, sich diese Informationen zu
beschaffen.
Als der Kellner eine Limonade brachte, musste Casey
schmunzeln.
„Kein Alkohol?“, fragte sie.
„Ich bin eher Partytrinker, ansonsten halte ich mich mehr
an Cola. Aber die Limo hier ist hausgemacht, also muss ich sie probieren!“
Sie beäugte das Glas, an dessen Rand eine Orangenscheibe
klemmte. „Ein Connaisseur also. Du bist vielschichtiger als du aussiehst.“
Nach einem tiefen Schluck wandte er sich ihr zu und
lächelte sie an. Seine Augen strahlten dabei. „Wie sehe ich denn aus, wenn ich
fragen darf?“
„Na ja“, sie machte eine unwirsche Geste, „eher Typ
Model, irgendwie.“
„Oh, wirklich? Und das ist schlecht?“ Nun wurde sein
Lächeln süffisant, doch das konnte sie ihm nicht übelnehmen.
„Hab‘ ich so nie behauptet. Aber da erwartet man
irgendwie nicht viel dahinter, verstehst du? Ich habe dich da deutlich
unterschätzt.“
Er hielt ihr das Glas hin, sie schüttelte den Kopf.
„Gibt es denn Dinge, die dein Herz höherschlagen lassen,
so wie es hausgemachte“, er betonte das Wort, als wolle er ihr sein
Getränk verkaufen, „Limonade bei mir schafft? Also nichts Großes, sondern mehr
die kleinen Freuden des Lebens.“
Casey beugte sich ein wenig vor, während sie sich über
den Unterarm rieb. Ihre Finger stießen an eines der Armbänder, die sie niemals
hatte umlegen wollen, die jedoch den Look einheitlicher machten. Viel zu zart
und feminin.
„Beanies.“
„Beanies?“
„Na ja, ich mag sie einfach. Oder Kaffeevariationen.
Brauselollies!“
Langsam stellte er sein Glas auf dem Tisch ab und wandte
ihr seinen Blick zu. Das Blau seiner Augen war so anders als das von Ludwigs
Augen, obwohl sie ähnlich hell waren. Doch wo Ludwig zumeist kühl wirkte, war
Sherrys Blick einladend und nahbar.
„Wenn ich auf der anderen Straßenseite ein Eichhörnchen
oder eine Ente sehe, muss ich für einen Augenblick abbrechen, was ich gerade
mache. Es geht nicht anders“, sagte er.
Sie grinste. „Das ist irgendwie voll süß.“
„An mir ist eine Künstlerseele verloren gegangen“, er
griff sich theatralisch ans Herz, „aber was ich damit sagen will: solche Abende
wie heute, solche Partys, auf denen man nicht sein will, sind ätzend. Morgen
wartet aber schon ein Beanie auf dich. Oder ein toller neuer Kaffee, den du
noch nie probiert hast. Oder etwas anderes, das dich inspiriert.“
„Woher schüttelst du denn diese Weisheiten?“, fragte sie
ausweichend, „du klingst wie mein Opa! Wie alt bist du bitte?“
Ihre Miene rutschte kurz ab, wie immer, wenn sie an Chuck
dachte. Er fehlte ihr immer noch viel mehr als sie es jemals erwartet hätte.
„24, mit alter Seele. Ich musste mich immer gegen zwei
viel tollere ältere Geschwister durchschlagen, da altert man wahrscheinlich
einfach schneller als gewöhnlich.“
„Aber nur innerlich, hä?“
Sherry strecke sich, wartete ab und legte dann langsam
einen Arm auf der Lehne hinter Casey ab. Wie selbstverständlich lehnte sie sich
wieder zurück, was ihn dazu brachte, sanft ihre Schulter zu umfassen.
„Ich scheine dir ja erstaunlich gut zu gefallen.“
„Dein Aussehen ist jedenfalls nicht abstoßend. Sondern eher eine der inspirierenden Kleinigkeiten des Lebens.“
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