Es ist nur drei Ewigkeiten her, dass ich hier gepostet habe. Und nun gibt es auch einen ausgezeichneten Grund dafür: die Challenge ist beendet! Ein Machwerk, das knapp zehn Jahre meines Lebens ein ständiger Begleiter war. Es gab Phasen, in denen ich mich nicht darauf konzentrieren konnte, aber die Challenge war immer in einem Eckchen meines Kopfes und schaute manchmal daraus hervor. Gelegentlich vorwurfsvoll, meist geduldig. Es ist nicht das erste Mal, dass ich eine Challenge beende. Aber es ist das erste Mal, dass ich mich nicht davon abbringen lasse, obwohl ich über lange Phasen nicht ein Wort zu Papier gebracht habe.
Es folgt heute also ein kleiner Spam, in dem alle übrigen Texte nacheinander kommen werden. Have fun.
Evelyn schaute vom Buch vor ihr auf und rollte
zuallererst die Schultern, damit sie am Ende des Arbeitstags nicht vollends
verspannt sein würde. Sie merkte bereits die ersten Anzeichen von
Kopfschmerzen, die auch daher rühren konnten, dass ihre Brille wohl nicht mehr
ganz zu ihren Augen passte. Sie hatte sich schon eine Notiz in ihren Kalender
gemacht, damit sie dieses Thema alsbald in Angriff nehmen konnte. Die Notiz war
auch erst ein paar Wochen alt, also nicht sonderlich drängend. Immerhin konnte
sie sich schöneres vorstellen, als noch dickere Gläser tragen zu müssen. Nur
dass Amir ihr bereits damit in den Ohren lag, ihre Leistung leide unter
ständigen Pausen vom Augenreiben oder weil sie sich nach einer Schmerztablette
umsah, störte sie. Ihr Tennisarm war gerade erst ausgeheilt und sie konnte
endlich wieder in gewohnter Weise arbeiten, da brauchte sie keinen Grund, sie
zum Abstauben zu verdammen. Darum durften sich gerne die Lehrlinge kümmern.
Mit einer Hand rieb sie über ihren verspannten Nacken,
während sie mit der anderen zu ihrem Tintenfass griff und missmutig
feststellte, dass sich dessen Inhalt gefährlich dem Ende neigte. Wahrscheinlich
reichte die Tinte noch eine Stunde, vielleicht auch nur eine halbe. Dann wäre
der Tag noch nicht vorbei.
Mit einem Augenrollen erhob sie sich von ihrem Platz,
griff das Fässchen und verließ unter den Blick von ein paar ihrer Kollegen den
Raum. Der Weg zum Vorrat war ihrer Meinung nach viel zu zeitaufwändig, führte
er doch an einem guten Teil der vielen Milliarden Bücher vorbei, die in der
Bibliothek untergebracht und geschützt wurden. Auf dieses Thema wollte sie
eigentlich keine Energie verschwenden, das führte zu nichts außer mehr
Kopfschmerzen. Solange sich nichts an der Leitung änderte, würden keine weiteren
Vorrats- oder Kopierräume eingerichtet, so einfach war es. Budget für derlei
Vorhaben gab es eh keines, denn niemand sah ein, der Bibliothek mehr als das
Nötigste zu finanzieren. Als ob sie keinen Dienst für die Allgemeinheit
übernähmen!
Gerade merkte sie, dass sie sich in diese endlose
Zwickmühle verfangen wollte, als sie endlich am korrekten Raum ankam und die
Tür öffnete. Rob hob gelangweilt den Blick von der Inventarliste.
„Hey“, sagte er träge.
„Hey“, antwortete sie und streckte ihm sein Fässchen
entgegen.
Er öffnete die Lippen, schloss sie wieder und lächelte.
„Du kannst mir auch gerne sagen, was du möchtest, Evey.
Ein wenig Konversation kann ja nicht zu viel verlangt sein“, seine Stimme war
sanft.
Während sie noch versuchte mehr Worte über ihre Lippen zu
zwingen, strich er sich durch sein wildes rotbraunes Haar und brachte sie damit
zusätzlich aus der Fassung. Er mochte niemals als klassische Schönheit zählen,
dafür waren seine Wangenknochen nicht hoch und seine Kieferpartie nicht breit
genug. Dennoch fühlte sie sich immer ein wenig eingeschüchtert davon, mit
welcher Lässigkeit er trotzdem immer gut aussah. Mal ein wenig müde, mal ein
wenig kränklich, aber trotzdem immer gut.
„Tinte. Und vielleicht auch ein paar Notizblätter.
Bitte.“
Er grinste sie an und füllte sofort Tinte für sie nach.
„Siehst du, das war doch ziemlich leicht, oder?“
Sie sprach nur wenig mit ihren Kollegen über Dinge, die
nichts mit der Bibliothek oder ihren seltenen Ausflügen in die gewöhnliche Welt
zu tun hatten. Ihr war unbegreiflich, wie nie jemand ihre Meinung zu Robs
Schönheit geteilt hatte. Sein Körperbau war sehnig, die Schultern breit. Unter
wildem Haar und zarten Brauen lagen blaue Augen tief in seinem Gesicht. Dass
darunter immer leichte Schatten zu sehen waren, gehörte zu den Eigenschaften,
die nahezu alle Angestellten der Bibliothek teilten. Lichtmangel vielleicht
oder schlechter Schlaf.
„Hast du denn gerade ein interessantes Buch am Wickel?“,
fragte er betont gleichgültig.
„Umtriebige Seele, würde ich eher sagen. Lebt aber
irgendwie nie wirklich lang, soweit ich das bisher beurteilen kann, immer gibt
es irgendeinen Unfall, der alles beendet.“ Evelyn justierte ihre Brille, die
bereits richtig saß, damit ihre freie Hand etwas zu tun hatte.
„Die hat man ja doch eher-“
Ein Tumult in den Gängen unterbrach seine Antwort und
brachte beide dazu, den Raum sofort zu verlassen. Kollegen schnellten an ihnen
vorbei, sodass es ein wenig dauerte, ehe sie einen anhalten konnten, um zu
fragen, was denn los war.
„Elaine hat gesehen, dass ein Buch fehlt! Nicht in
Bearbeitung, nicht ausgeliehen!“, sagte Frank, der noch vor einer Antwort
weiter huschte.
Evelyn schaute ihm erst nach, dann hinauf in Robs
Gesicht. Seine Brauen waren in einer grüblerischen Mine zusammengezogen, die
Augen gesenkt.
„Wer sollte ein Buch stehlen? Das ist noch nie passiert.“
Er nickte langsam. „Vielleicht nur vergessen
auszuchecken. Kann ja sein. Taucht sicher wieder auf.“
Dass auch das noch nie vorgekommen war, war ihm
sicherlich so klar wie ihr. Wenn alle Mitarbeiter eines auch noch im Schlaf
beherrschten, dann den korrekten Umgang mit Büchern, ob nun innerhalb oder
außerhalb der dafür vorgesehenen Räume.
„Ich werde mal sehen, wie ich helfen kann“, erklärte sie mit einem Schulterzucken, das mehr Gleichgültigkeit ausdrückte, als sie fühlte. Auf dem Weg zu Amir würde sie nur kurz ihr Tintenfässchen zu ihrem Papierstapel legen. Das Buch, an dem sie gerade arbeitete, musste warten, wenn es dort eine viel größere Angelegenheit gab.
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