Empfohlener Beitrag

[Überblick]

Nachdem hier zuerst nur die Beiträge zu einer 50 Themes Challenge geordnet wewrden sollten, habe ich versucht, auch alle anderen kreativen T...

17.09.2025

[42 Pen & Paper]

 Es ist nur drei Ewigkeiten her, dass ich hier gepostet habe. Und nun gibt es auch einen ausgezeichneten Grund dafür: die Challenge ist beendet! Ein Machwerk, das knapp zehn Jahre meines Lebens ein ständiger Begleiter war. Es gab Phasen, in denen ich mich nicht darauf konzentrieren konnte, aber die Challenge war immer in einem Eckchen meines Kopfes und schaute manchmal daraus hervor. Gelegentlich vorwurfsvoll, meist geduldig. Es ist nicht das erste Mal, dass ich eine Challenge beende. Aber es ist das erste Mal, dass ich mich nicht davon abbringen lasse, obwohl ich über lange Phasen nicht ein Wort zu Papier gebracht habe.

Es folgt heute also ein kleiner Spam, in dem alle übrigen Texte nacheinander kommen werden. Have fun.


Evelyn schaute vom Buch vor ihr auf und rollte zuallererst die Schultern, damit sie am Ende des Arbeitstags nicht vollends verspannt sein würde. Sie merkte bereits die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen, die auch daher rühren konnten, dass ihre Brille wohl nicht mehr ganz zu ihren Augen passte. Sie hatte sich schon eine Notiz in ihren Kalender gemacht, damit sie dieses Thema alsbald in Angriff nehmen konnte. Die Notiz war auch erst ein paar Wochen alt, also nicht sonderlich drängend. Immerhin konnte sie sich schöneres vorstellen, als noch dickere Gläser tragen zu müssen. Nur dass Amir ihr bereits damit in den Ohren lag, ihre Leistung leide unter ständigen Pausen vom Augenreiben oder weil sie sich nach einer Schmerztablette umsah, störte sie. Ihr Tennisarm war gerade erst ausgeheilt und sie konnte endlich wieder in gewohnter Weise arbeiten, da brauchte sie keinen Grund, sie zum Abstauben zu verdammen. Darum durften sich gerne die Lehrlinge kümmern.

Mit einer Hand rieb sie über ihren verspannten Nacken, während sie mit der anderen zu ihrem Tintenfass griff und missmutig feststellte, dass sich dessen Inhalt gefährlich dem Ende neigte. Wahrscheinlich reichte die Tinte noch eine Stunde, vielleicht auch nur eine halbe. Dann wäre der Tag noch nicht vorbei.

Mit einem Augenrollen erhob sie sich von ihrem Platz, griff das Fässchen und verließ unter den Blick von ein paar ihrer Kollegen den Raum. Der Weg zum Vorrat war ihrer Meinung nach viel zu zeitaufwändig, führte er doch an einem guten Teil der vielen Milliarden Bücher vorbei, die in der Bibliothek untergebracht und geschützt wurden. Auf dieses Thema wollte sie eigentlich keine Energie verschwenden, das führte zu nichts außer mehr Kopfschmerzen. Solange sich nichts an der Leitung änderte, würden keine weiteren Vorrats- oder Kopierräume eingerichtet, so einfach war es. Budget für derlei Vorhaben gab es eh keines, denn niemand sah ein, der Bibliothek mehr als das Nötigste zu finanzieren. Als ob sie keinen Dienst für die Allgemeinheit übernähmen!

Gerade merkte sie, dass sie sich in diese endlose Zwickmühle verfangen wollte, als sie endlich am korrekten Raum ankam und die Tür öffnete. Rob hob gelangweilt den Blick von der Inventarliste.

„Hey“, sagte er träge.

„Hey“, antwortete sie und streckte ihm sein Fässchen entgegen.

Er öffnete die Lippen, schloss sie wieder und lächelte.

„Du kannst mir auch gerne sagen, was du möchtest, Evey. Ein wenig Konversation kann ja nicht zu viel verlangt sein“, seine Stimme war sanft.

Während sie noch versuchte mehr Worte über ihre Lippen zu zwingen, strich er sich durch sein wildes rotbraunes Haar und brachte sie damit zusätzlich aus der Fassung. Er mochte niemals als klassische Schönheit zählen, dafür waren seine Wangenknochen nicht hoch und seine Kieferpartie nicht breit genug. Dennoch fühlte sie sich immer ein wenig eingeschüchtert davon, mit welcher Lässigkeit er trotzdem immer gut aussah. Mal ein wenig müde, mal ein wenig kränklich, aber trotzdem immer gut.

„Tinte. Und vielleicht auch ein paar Notizblätter. Bitte.“

Er grinste sie an und füllte sofort Tinte für sie nach. „Siehst du, das war doch ziemlich leicht, oder?“

Sie sprach nur wenig mit ihren Kollegen über Dinge, die nichts mit der Bibliothek oder ihren seltenen Ausflügen in die gewöhnliche Welt zu tun hatten. Ihr war unbegreiflich, wie nie jemand ihre Meinung zu Robs Schönheit geteilt hatte. Sein Körperbau war sehnig, die Schultern breit. Unter wildem Haar und zarten Brauen lagen blaue Augen tief in seinem Gesicht. Dass darunter immer leichte Schatten zu sehen waren, gehörte zu den Eigenschaften, die nahezu alle Angestellten der Bibliothek teilten. Lichtmangel vielleicht oder schlechter Schlaf.

„Hast du denn gerade ein interessantes Buch am Wickel?“, fragte er betont gleichgültig.

„Umtriebige Seele, würde ich eher sagen. Lebt aber irgendwie nie wirklich lang, soweit ich das bisher beurteilen kann, immer gibt es irgendeinen Unfall, der alles beendet.“ Evelyn justierte ihre Brille, die bereits richtig saß, damit ihre freie Hand etwas zu tun hatte.

„Die hat man ja doch eher-“

Ein Tumult in den Gängen unterbrach seine Antwort und brachte beide dazu, den Raum sofort zu verlassen. Kollegen schnellten an ihnen vorbei, sodass es ein wenig dauerte, ehe sie einen anhalten konnten, um zu fragen, was denn los war.

„Elaine hat gesehen, dass ein Buch fehlt! Nicht in Bearbeitung, nicht ausgeliehen!“, sagte Frank, der noch vor einer Antwort weiter huschte.

Evelyn schaute ihm erst nach, dann hinauf in Robs Gesicht. Seine Brauen waren in einer grüblerischen Mine zusammengezogen, die Augen gesenkt.

„Wer sollte ein Buch stehlen? Das ist noch nie passiert.“

Er nickte langsam. „Vielleicht nur vergessen auszuchecken. Kann ja sein. Taucht sicher wieder auf.“

Dass auch das noch nie vorgekommen war, war ihm sicherlich so klar wie ihr. Wenn alle Mitarbeiter eines auch noch im Schlaf beherrschten, dann den korrekten Umgang mit Büchern, ob nun innerhalb oder außerhalb der dafür vorgesehenen Räume.

„Ich werde mal sehen, wie ich helfen kann“, erklärte sie mit einem Schulterzucken, das mehr Gleichgültigkeit ausdrückte, als sie fühlte. Auf dem Weg zu Amir würde sie nur kurz ihr Tintenfässchen zu ihrem Papierstapel legen. Das Buch, an dem sie gerade arbeitete, musste warten, wenn es dort eine viel größere Angelegenheit gab.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen