Ein gutes Thema, dachte ich wenigstens. Das Ergebnis ist ganz weit von
dem entfernt, was ich mir vorgestellt habe. Slice of life. Ich mag es.
Keine Kunden.
Rhapsodia blickte von ihren Hausaufgaben auf und schaute sich im
Laden um, der durch das Fehlen der Kunden heute irgendwie merkwürdig
leer wirkte. Vater war nicht im Ort und hatte deshalb die Führung der
Geschäfte seinen zwei Söhnen übergeben, die von den Leuten noch nicht
als vollwertige Kaufleute angesehen wurden. Mit diesen beiden
Grünschnäbeln wollten sie keine Geschäfte tätigen, denn sie hatten das
Gefühl, schlecht von ihnen beraten zu werden. Wären Kai und Vero nicht
dazu angehalten worden, so wenig wie möglich zu feilschen, wären sicher
mehr Leute in den Laden gekommen, doch die beiden kannten sich mit der
Qualität von Stoffen besser aus, als die Allgemeinheit erwartete, und
waren deshalb sehr wohl in der Lage, selbst zu bestimmen, wie weit sie
mit den Preisen hinuntergehen wollten. Meist war das wesentlich weniger,
als findige Frauen sich erhofften. So hatten die Jungen nicht nur den
Ruf, schlecht zu beraten, sondern auch den, unnachgiebige
Geschäftspartner zu sein. Deshalb war der Laden leer.
„Musst du uns eigentlich hier nerven, Zwerg? Warum machst du deinen
Kram nicht im Haus?“, fragte Kai gereizt. Es störte ihn, dass niemand in
den Laden kam, immerhin schmälerte es den Umsatz, wenn einen Tag lang
keine Ware über den Tisch ging.
„Ich befinde mich in einem Haus. Außerdem meinte Mutter, ich könne meine Hausaufgaben machen, wo ich will“
„Aber du gehst mir auf die Nerven!“
„Womit denn? Ich schweige doch!“
„Mit deiner bloßen-“
„Kai, jetzt sei doch endlich still und lass sie arbeiten!“, mischte
Vero sich ein, „Wenn du sie jetzt in Ruhe lässt, ist sie früher fertig
und verschwindet eher. Währenddessen kannst du ja irgendetwas anderes
machen, ich brauche dich hier nicht.“
„Vater hat uns beiden die Verantwortung übertragen!“
„Und ich bin der Ältere, also habe ich mehr Verantwortung.“
Rhapsodia rollte mit den Augen. Diese Diskussion führten die beiden
immer, wenn sie sie um das Geschäft kümmern mussten. Vielleicht sollte
sie Vater raten, diesbezüglich eindeutigere Anweisungen zu geben.
„Es kommt doch eh niemand mehr hierher. Ihr könnt die Tür eigentlich
abschließen und weggehen, statt euch hier gegenseitig zur Minna zu
machen.“
„Hat dich jemand nach deiner Meinung dazu gefragt, Zwerg?“
„Nein, aber dir hat auch niemand hier das Kommando direkt übertragen,
also ist es nur richtig, sich nach dem Ältesten zu richten, Kai. Und
merke dir eines gut: Ich. Bin. Kein. Zwerg!“, fauchte Rhapsodia ihren
Bruder an, der daraufhin frech grinste. Für ihn war es nur ein Scherz,
das wusste sie ja, aber sie fühlte sich dann noch kleiner. Dabei war sie
schon klein genug.
„Beruhige dich“, mischte Vero sich ein und legte ihr mitfühlend eine
Hand auf die Schulter, „Wenn du mit deinen Hausaufgaben fertig bist,
dann können wir ja einen Spaziergang machen oder so etwas. Du hast
recht, wenn du sagst, es käme niemand mehr hierher.“
„Sie hat noch mehr gesagt, dem ich absolut nicht zustimmen kann!“, beschwerte sich Kai.
Rhapsodia grinste und sagte mit neutralem Ton: „Das kommt davon, wenn
man immer nur die Nummer zwei ist und es nicht akzeptieren kann.“
„Autsch“, entfuhr es Kai, dessen Gesicht sich zu einem theatralisch gequälten Ausdruck verzog.
„Sie hat dich.“
„Sie hat mich.“
„Richtig, ich habe den Nagel auf den Kopf getroffen. Kann ich nun endlich meine Hausaufgaben machen?“
Es handelt sich hier natürlich nicht um Rhapsodias komplette
Familie, eigentlich ist es weit davon entfernt. Es sind nur ihre beiden
älteren Brüder (als ob man das noch nicht mitbekommen hätte). Ihre
beiden kleinen Schwestern (Zwillinge) kommen zum Glück nicht vor,
Großmutter ist bei Großvater ein paar Orte weiter und, tja, der Rest der
Familie kommt erst nach diesem Zeitpunkt dazu.
:D
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