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[Überblick]

Ich fand, es ist mal an der Zeit, ein wenig Ordnung in die Challenge zu bringen. Immerhin ist es auch für mich schwierig geworden, immer die...

16.03.2012

[Geschichten]


Es gibt nur drei Arten von Geschichten:
1. Geschichten, die über die Zeit an Substanz verlieren, bis sie im Gedächtnis nicht mehr als die Erinnerung an einen Zustand, ein Gefühl sind, bis jemand sie wieder hervorholt und mit Details auffüttert. Sie werden zu einem Schatten ihrer selbst.
2. Geschichten, die mit den Jahren immer weiter aufgeplustert werden, sich verändern, bis der Kern noch der gleiche ist wie zuvor, die Einzelheiten jedoch andere Ausmaße annehmen.
3. Geschichten, die man so oft gehört hat, dass man das Gefühl hat, man wäre dabei gewesen, ohne es wirklich gewesen zu sein. Sie werden gerne erzählt, häufig erzählt und oft auch im selben Wortlaut. Es sind emotionale Geschichten, die eine Person immer wieder gerne als Beispiel für irgendetwas anführt.

Gibt es nicht zu jeder der drei Kategorien sofort Beispiele, die einem in den Sinn kommen? Wie das Erlebnis meiner Schwester, bei dem der Rucksack, den sie getragen hat, über die Jahre an Schwere zugenommen zu haben scheint? Oder meine Einschulung, die zwar irgendwie noch da ist, aber nicht so präsent ist wie die meiner Schwester, bei der meine Klasse eine kleine Aufführung gemacht hat? Oder die Dinge, die mir meine Mutter immer wieder gerne erzählt, was so weit geht, dass ich in den Momenten auf Durchzug schalte, weil ich sie schon runter beten kann?

Nun kann man sagen, das sei doch bei Weitem noch nicht alles, immerhin entstünden so viele Geschichten, jeden Tag, überall auf der Welt, doch was sind diese genau? Dinge, die tatsächlich geschehen sind, fallen selbstverständlich irgendwann in eine der drei Kategorien, denn das Gehirn sortiert für uns nach Wichtigkeit, sodass wir das, was nicht relevant ist, sehr schnell wieder vergessen.
Fiktive Geschichten sind eindeutig in die ersten beiden Kategorien einzuordnen. Was immer ich auch lese oder sehe, ich vergesse vieles davon, meist sofort nach dem der Film/das Buch zu Ende ist. An anderen Stellen hingegen dichtet mein Kopf Sachen hinzu, die vielleicht in einer Geschichte zur Geschichte gestanden haben, oder Inhalte, die ich gerne darin gesehen hätte oder aus ganz anderen Quellen stammen, sich aber wunderbar einfügen. Selbst beim Schreiben kann ich mir nur einen Bruchteil dessen merken, was ich zu Papier gebracht habe, weshalb ich oft Überraschungen erlebe, sobald ich meine Texte von vorne beginne. Zudem entwickelt sich das geschriebene Wort von einer bloßen Idee im Kopf einer Person zu einem großen Ganzen, aus dem im Normalfall nur ein Stück präsentiert wird. Hintergrundgeschichten bleiben unveröffentlicht, Zukunftsaussichten werden nur angedeutet. Es sind Geschichten, die wie ein Wesen gewachsen sind, aber das Wachstum bekommt man als Leser/Zuschauer nicht mit. Man erhält einen Ist-Zustand mit einigen Rückblenden, um Verhaltensweisen verständlich zu machen – und doch hat es sich mit ihnen nicht anders verhalten als mit dem immer schwerer gewordenen Rucksack meiner Schwester.

2 Kommentare:

  1. Ich weiß gar nicht, was ich anderes sagen soll, als: wunderschön formuliert. Ich hab diese Gedanken gern gelesen. Sehr gerne.

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    1. Dankeschön. Irgendwie langweilt der Sick mich zwar streckenweise, doch er hebt meine Ausdrucksweise ein wenig. Wie ich schreibe, sobald ich mit den drei Bänden fertig bin, will ich mir noch gar nicht wieder vorstellen...

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