Ein Konzept, das sie nicht verstanden. Noch eines. Es war
ihnen unbegreiflich, dass man sich auf jemanden nicht wegen seiner
Qualifikation verließ, sie begriffen nicht, dass man jemanden mögen konnte.
Aber was war ihre Motivation, Befehlen zu folgen?
Claudia beobachtete die Jungen genau, während diese
verwirrt eine Gruppe Mädchen anschauten, die am Nebentisch saß. Verwirrung war
in ihren Köpfen anscheinend noch verankert und auch eine gewisse Neugier, doch
erst seit ihre Körper in die Pubertät gekommen waren. Diese Zeit machte sie
menschlicher als sie eigentlich sein sollten, woran Claudia nichts Schlechtes
finden konnte.
„Doktor Petersen“, krächzte Curry, der gerade den
Stimmbruch durchmachte, „Wieso lachen sie, obwohl sie sich beleidigen?“
Bei einer ihrer Gruppen auf Neugier zu stoßen, war
wundervoll.
Claudia lächelte sanft, während sie überlegte, wie sie diese
Frage beantworten konnte.
„Sie sind befreundet, sie meinen die Beleidigungen nicht
so. Es klingt merkwürdig und für Außenstehende ist es eigentlich auch unverständlich,
aber so verhalten sich Freunde.“
Curry legte den Kopf schief, schaute die Mädchen wieder
an. „Ich dachte, sie fordern sich damit gegenseitig zu irgendetwas heraus.“
Diese Denkweise war hausgemacht: Alles war ein Wettkampf,
immer musste man beweisen, dass man besser war – jedoch stets nur im Rahmen der
erteilten Befehle.
„Nein, sie machen das nur zum Spaß.“
Einige der Mädchen standen auf, wahrscheinlich wollten
sie auf Toilette gehen, sodass nur zwei von ihnen zurückblieben.
„Sie sehen anders aus als wir“, bemerkte Curcuma
nachdenklich.
„Es sind Mädchen, ihr seid Jungen, natürlich seht ihr
nicht gleich aus.“
„Und was sind Sie, Doktor Petersen?“, fragte Zucker.
„Mädchen. Irgendwie. Also eigentlich eine Frau, aber…
habt ihr noch nie darüber nachgedacht?“
Die sechs Jungen, die mit ihr am Tisch saßen, schüttelten
mit den Köpfen, tranken dann synchron aus ihren Gläsern.
Warum sollten sie sich darüber Gedanken gemacht haben?
Claudia Petersen war die, die sie erschaffen hatte. Ihr Doktor wie jede andere
Gruppe auch einen hatte. Ihre Befehle wurden befolgt, ihre Fragen beantwortet.
Sie war das Gesetz. Für Gruppe Zeta war ihr Körperbau ebenso wenig von Belang
wie für die Gruppen zuvor und für jene, welche noch folgen würden.
Claudia betrachtete die übriggebliebenen Mädchen, die
kichernd auf ihren Plätzen saßen.
Ihre Jungen sollten auch so sein wie diese Kinder,
unbeschwert und fröhlich. Sie sollten das Konzept Freundschaft verstehen und sich
nicht wundern, dass es normal war, sich unter Freunden zu necken.
„Ich verstehe nicht, was an dem Satz ‚Dafür bist du zu
fett‘ nun diese ‚Freundschaft‘ ausdrücken soll“, gab Salz zu bedenken.
Seufzend zuckte Claudia mit den Schultern.
„Das kann man auch nicht verstehen.“
Mit diesen Worten schloss sie das Thema, gab den Jungen
mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie diesen unerlaubten Ausflug nun
beenden würden.
Neugier war eine gute Eigenschaft, die sie bisher
schmerzlich vermisst hatte, doch nun wurde ihr klar, dass sie alles nach bestem
Wissen beantworten konnte, ohne dass die Fragenden jemals verstehen würden, wie
Dinge wie Beziehungen funktionierten.
Menschen sind und bleiben eben einfach merkwürdige Wesen! :)
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